Sächsische Willkommenskultur

Rassismus In Sachsen brennt eine unbewohnte Asylunterkunft und Gaffer johlen, und in Clausnitz blockiert ein Mob einen Bus mit Geflüchteten

Ausgebrannter Dachstuhl der geplanten Unterkunft in Bautzen Foto: dpa

Von Rot nach Braun

betr.: „ ‚Freude‘ über Brand in Asylheim“, taz vom 22. 2. 16

Ein sehr interessantes Farbenspiel im Osten. Innerhalb einer Generation von Rot nach Braun. In unserer schnelllebigen Zeit reicht eine Kristallnacht nicht mehr. Da braucht man jeden zweiten Tag eine neue. Flüchtlingsunterkünfte dienen als Synagogen-Ersatz. Von Dunkel-Deutschland kann man nicht mehr reden, denn die Nächte sind ja dauernd taghell erleuchtet.

FERN MEHRING , Dortmund

Ränzlein packen

betr.: „Eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft“, taz vom 22. 2. 16

Eine Bedrohung für die ganze Gesellschaft ist der Verlust an Solidarität. Seit der deutschen Vereinigung gibt es den Solidaritätsbeitrag. Davon haben klaglos die neuen Bundesländer und auch jene profitiert, die sich jetzt bedroht fühlen. Noch mal: Sein Name ist Solidaritätsbeitrag! Und damit hängt zusammen: die Menschenwürde. Deren Bestand sichert das Grundgesetz. Dessen Inhalt verpflichtet alle Menschen zu gegenseitiger Solidarität.

Bettina Gaus sieht den deutschen Staat in der Pflicht. Das ist eine Institution; deshalb liegt die Pflicht bei jedem Einzelnen.

Wer das nicht akzeptiert, wer sich den Grundrechten und der Solidarität verweigert, möge sein Ränzlein packen und die Bundesrepublik verlassen, flüchten, um zu erfahren, wie das ist!

PETER FINCKH, Ulm

Völliges Versagen

betr.: „Die Schande von Sachsen“, taz vom 22. 2. 16

Da sitzt ein wohlgenährter sächsischer Polizeioffizier, Uwe Reißmann, und verkündet bräsig, es werde Anzeigen gegen Flüchtlinge geben. Diese hatten sich vorher angesichts einer fremdenfeindlichen Menge gewehrt, den Bus zu verlassen und in eine von einem AfD-Sympathisanten geleitete Unterkunft zu gehen. Reißmann kann sich nicht vorstellen, dass die Menschen panische Angst hatten. Er versucht sein völliges Versagen – „Fehleinschätzung“ (!) – angesichts der prekären Situation zu übertünchen.

Wieso war nur eine Polizeistreife – also zwei Beamte – am Ort des Geschehens angesichts einer aufgebrachten fremdenfeindlichen Menge? „Aus heutiger Sicht [. . .] eine Fehleinschätzung.“ Wieso wurde bei der Eskalation keine Verstärkung geholt? Wieso wurde polizeiliche Gewalt gegen die Flüchtlinge, nicht aber gegen den „Mob“ angewendet?

Das scheint die sächsische Willkommenskultur zu sein. Mir kommt das Frühstück angesichts der sächsischen Verhältnisse hoch!

JÜRGEN FIEGE , Bremen

Saftige Geldstrafe

betr.: „Die Schande von Sachsen“, taz vom 22. 2. 16

Die Tatenlosigkeit der politisch Verantwortlichen gegenüber dem braunen Mob ist erschreckend. Im Fußball wird nicht lang gezögert: Wird ein Bierbecher oder Feuerzeug auf Spieler, Trainer, Schiri geworfen, bekommt der Verein eine saftige Geldstrafe, eventuell Punktabzug. Würde eine Landesregierung oder Kommune bei (dem Tatbestand angemessenen) Strafzahlungen für brennende Flüchtlingsunterkünfte wohl anders durchgreifen oder versuchen, die Taten im Vorhinein zu verhindern? Das Geld könnte zudem zweckgebunden für die Sicherheit und Traumabehandlung der Flüchtlinge eingesetzt werden.

TOBIAS WOLF , Bremen

Zur Erinnerung

betr.: „Eine Bedrohung für die gesamte Gesellschaft“, taz vom 22. 2. 16

Zur Erinnerung möchte ich darauf verweisen, dass gerade die CDU in Nordrhein-Westfalen einen Untersuchungsausschuss zu den Geschehnissen in der Silvesternacht in Köln gefordert hat, um die Verantwortung des Innenministers zu „untersuchen“. Wie viele rechtsradikale Terroranschläge muss es in Sachsen noch geben, ehe dort ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, um die Verantwortung und Untätigkeit des CDU-Innenministers Uhlig zu untersuchen? Wann wird in Sachsen, in Mecklenburg-Vorpommern oder in Sachsen-Anhalt eine Polizeiführung wegen Inkompetenz oder Sympathiesantentum entlassen, wie das nach Köln geschehen ist?

Doch bei diesen rechten Terroranschlägen sind ja Asylbewerber das Ziel und nicht, wie in Köln, Deutsche. Aber wie perfide ist es, dann noch verängstigte und angegriffene Asylbewerber zu Tätern zu stempeln, um unangemessenes Verhalten von Polizeibeamten ins „rechte“ Licht zu rücken, wie es der zuständige Polizeitpräsident, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft und letztlich auch der Bundesinnenminister getan haben. Dieses Verhalten führt dazu, dass sich die „besorgten rechtsradikalen Bürger“ in ihren Taten legitimiert fühlen. In der Weimarer Republik hat die Duldung der braunen Schlägertrupps zu guter Letzt zur Naziherrschaft geführt. Soll es wieder so weit kommen?

ALBERT WAGNER , Bochum

Endlich was tun

betr.: „Das ist nicht mein Land“, taz vom 23. 2. 16

Mein Land ist das auch nicht, und ich denke, wir müssen endlich was tun, denn Schweigen signalisiert Zustimmung, und das ist keinesfalls das Signal, das gesetzt werden muss. Wir müssen endlich das Schweigen brechen und reden, nein, schreien müssen wir, und zwar lauter als alle rassistischen Krakeeler zusammen! Es müssen wieder Kerzen brennen, Hunderttausende zu Lichterketten aufgereiht, anstelle von Flüchtlingsunterkünften! Wir müssen unsere Bequemlichkeit auf dem Sofa sitzen lassen und mal statt ins Fitnesscenter auf die Straßen gehen!

KIRSTEN DIERCKS , Hamburg

Verheerendes Bild

betr.: „ ‚Freude‘ über Brand in Asylheim“, taz vom 22. 2. 16

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich zeigte sich angesichts der neuesten Gewaltakte rechtsextremistischer Täter in Clausnitz und Bautzen – wieder einmal – „schockiert“ und schwadronierte, auf nichtssagende Stereotype zurückgreifend, auch darüber, dass diese „keine Menschen“ seien, sondern Verbrecher“. Eine dümmlichere und sprachlich verwirrendere Verharmlosung dieser kriminellen Akteure ist Tillich offenbar nicht eingefallen. Als ob die Gewalttäter nicht zum immer hemmungsloser agierenden rechtsradikalen fremdenfeindlichen Mob „in der Mitte der Gesellschaft“ gehörten, spricht Tillich ihnen das Menschsein ab, um auf diese Weise die Gesellschaft zu exkulpieren, für deren Gestaltung und Entwicklung er als maßgeblicher Politiker eine Mitverantwortung trägt. Während die sächsische Justiz jahrelang mit verbissenem Eifer Teilnehmer an Anti-Nazi-Demonstrationen, wie den Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König, wegen „Landfriedensbruchs“ verfolgte, hat sich dieses Bundesland unter Tillichs Ägide zur Brutstätte völkisch-nationalistischer und rechtspopulistischer Bewegungen und damit zum Schandmal eines sich demokratisch verstehenden Deutschland entwickelt. Kein Dresdner Opernball und keine glanzvolle Zeremonie in der prächtigen Frauenkirche vermag dieses verheerende Bild noch zu mildern.

PETER MICHEL, Ravensburg