Betrug in der Elternpartei

Prozess Um staatliche Mittel zu erschleichen, erfand ein Parteifunktionär sogar einen Vorsitzenden

POTSDAM taz | Auf Wikipedia existiert Werner Jock noch. Im Online-Lexikon ist vermerkt, dass Jock zunächst als Pressesprecher der Elternpartei fungierte, ehe auf dem Bundesparteitag 2007 der Aufstieg zum Vorsitzenden folgte. Ein ziemlich steiler Aufstieg also, für den Jock reichlich Respekt verdient. So ganz alltäglich scheint dieser Karriereweg nämlich nicht zu sein. Jock hat es aber geschafft – dank seines Erfinders Dieter G.

Am Dienstag erzählt Dieter G. vor dem Amtsgericht Potsdam von Werner Jock. Dass er Jock erfunden habe, ihn zu seinem „Fantasieprodukt“ machte, schließlich gar zum Vorsitzenden einer Partei, die von der Bundesverwaltung Spendengelder erhielt. Unter anderem deshalb, weil auf den Spendenbelegen die Märchenfigur Werner Jock unterschrieben hatte.

Jock war allerdings nur das kleinste Problem. Im Jahr 2009 stellte sich heraus, dass Dieter G. und drei weitere Parteimitglieder, die am Dienstag ebenfalls auf der Anklagebank saßen, einen Zahlungskreislauf mit fiktiven Spendengeldern initiiert hatten. Sie wussten: Pro gespendetem Euro fließen 38 Cent von der Bundesverwaltung an die Partei. Also fälschte man Urkunden, erfand Spender und schob Gelder – teilweise über private Konten – hin und her, um möglichst konkurrenzfähig zu bleiben. 687.614 Euro betrug der Schaden.Da die Spendengelder aus einem fest gedeckelten Fördertopf (mit 133 Millionen Euro) zur Parteienfinanzierung kamen, mussten die Steuerzahler freilich nicht unter den Tricksereien leiden.

Neben Urkundenfälschung, gewerbsmäßigem Betrug und Verstößen gegen das Parteiengesetz wurde den Angeklagten auch vorgeworfen, sich persönlich bereichert zu haben. Zumindest einer der Beschuldigten gab zu, innerhalb von vier Jahren rund 10.000 Euro für private Zwecke eingesetzt zu haben. Dieter G. bestritt diesen Vorwurf. Er habe immer sauber zwischen privatem und parteilichem Vermögen getrennt, auch wenn er sich nicht mehr genau an alle Aktivitäten erinnern könne.

Seine Strafe, unter anderem wegen Untreue in 324 Fällen: 18 Monate, bei zweijähriger Bewährung. Der zweite Hauptangeklagte erhielt 10 Monate auf Bewährung, die beiden weiteren Angeklagten kamen mit Geldstrafen davon. David Joram