LeserInnenbriefe zu verschiedenen Themen

Maßgeblich diskreditiert

betr.: „Europa wird nicht untergehen, taz vom 17. 2. 16

Die Argumentation von Pierre Moscovici im taz-Interview zeugt leider von einem gefährlichen Zweckoptimismus, der nicht wenig an das einfach weiterspielende Orchester auf der „Titanic“ nach dem Zusammenprall mit einem Eisberg erinnert. Zum einen sind die Budgets, wie etwa in Italien, alles andere als gut geschützt, da hier die Bankenkrise auf Grund nicht weniger fauler Kredite jederzeit wieder aufflammen und die Regierung zu kurzfristig deutlich höheren Ausgaben zwingen kann. Zum anderen bleibt das nicht unerhebliche Problem, dass in Ländern wie Spanien, in denen es zumindest nach den offiziellen Statistiken wieder wirtschaftlich aufwärtsgeht, die Idee der europäischen Integration als solche maßgeblich diskreditiert wurde durch Sparprogramme, durch die zum Beispiel tausende Hochschulmitarbeiter ihren Job verloren; oder das Schweigen der EU-Kommission zum sogenannten GAG-Gesetz, nach dem das spontane Demonstrationsrecht verboten sowie die Meinungsfreiheit insbesondere im Internet unter Androhung hoher Geldbußen erheblich eingeschränkt wurde. Deshalb darf man sich in Brüssel nicht weiter einer Wertedebatte verschließen, da das Vertrauen in das vereinte Europa für mindestens eine junge Generation im mediterranen Raum bereits untergegangen ist! RASMUS HELT, Hamburg

Brandgefährlich

betr.: „Fragen unerwünscht“, taz vom 12. 2. 16

Ich fand es sehr mutig von Deniz Yücel, seine Fragen zu stellen, aber ich kann total verstehen, dass er keinen Kommentar dazu abgibt. Nur – ist das nicht schrecklich, beschimpft zu werden und gleichzeitig froh sein zu müssen, nicht ins Gefängnis zu wandern?! Oder gleich ganz „beseitigt“ zu werden, wie die fünf kritischen Stimmen aus Hongkong. Was sagt übrigens Ai Weiwei dazu oder ist sein Maulkorb für immer und ewig? China ist jedenfalls noch weit genug weg, aber mit einem Menschenverachter und Menschenrechtsverletzer wie Erdoğan kann man doch nicht verhandeln! Voll die Zwickmühle, weil Flüchtlinge und Europa gehen wohl ohne die Türkei nicht zusammen. Mal sehen, was für ein Süppchen er jetzt wieder kocht (nach dem Anschlag in Ankara), wo er nicht mal angefangen hat, auszulöffeln, was er sich beim Jonglieren mit IS, Flüchtlingen und totalem Hass auf die Kurden eingebrockt hat. Verliert so einer die Übersicht , wird er unberechenbar und brandgefährlich. ILONA HORN Marburg

Aufmüpfige Vorurteile

betr: „Glotz sie an, nenn es Bildung“, taz vom 16. 2. 16

Schön, dass 27 Studenten einer ethnologiefernen Hochschule für Grafikfragen auch endlich mal nach dem Woher von Objekten in einem „Völkerkunde“-Museum gefragt haben. Das Ergebnis ist aber eher das aufmüpfige Ausleben von Vorurteilen gegenüber angeblich nicht aufgeklärten Bürgern, den Museen überhaupt und der Ethnologie, denn die Museen führen seit Jahrzehnten eine selbstkritische und zumeist produktive museumspädagogische Mediendebatte zu diesem Thema. Es ist einfach unverfroren und selbstverliebt, dass so getan wird, als ob die Dialoge mit der Öffentlichkeit über Islam und andere aktuelle Themen in Leipzig erst seit dem Amtsantritt der neuen Direktorin geführt werden. Da wird ein tumber Bürger konstruiert, der noch nie was von Kolonialismus gehört hat. Das hat er nicht verdient, und so blöd ist er nicht, wie da „akademisch“ konstruiert wurde, und so hinterwäldlerisch ist das Grassi auch nicht. Und dass in der taz auch noch eine Attacke gegen den irgendwie ungebildeten Ossi geritten wird, wegen fehlender Englischkenntnisse, ist schon mehr als peinlich in dieser, meiner Tageszeitung. EKKEHARD SCHRÖDER, Potsdam