LeserInnenbriefe
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Kaum über Existenzminimum

betr.: „Die neuen Mangelfächer“, taz vom 4. 2. 16

Ralf Pauli schreibt, dass die DeutschlehrerInnen „von den Flüchtlingen profitieren“. Ich halte diese Formulierung für falsch, weil sie suggeriert, dass man als Deutschlehrer gut verdienen kann, wenn man sich überwiegend über Kurse finanziert, die man bei privaten oder öffentlichen Anbietern von Integrations- und Deutschkursen als „Honorarkraft“ (also als selbstständige Tätigkeit) durchführt. Pauli nennt auch Zahlen zwischen 20 und 30 Euro pro Stunde, die als Honorar gezahlt würden, wobei meiner Erfahrung nach die meisten Deutschlehrer kaum über die 20 Euro hinauskommen.

Dieses Honorar reicht selten aus, um über das Existenzminimum (Hartz-4-Niveau) hinauszukommen. Denn als selbstständige Deutschlehrerin darf man nicht nur für einen oder wenige Auftraggeber arbeiten, hat also erheblichen Zeitaufwand für Koordination und Akquise zu leisten. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass man den vollen Sozialversicherungsbeitrag für Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu leisten hat; (die Rentenversicherung ist Pflicht bei Lehrern). Anders als bei angestellten oder beamteten Lehrern gibt es keine Bezahlung während der Ferien und auch keine Bezahlung bei Krankheit, was faktisch eine zusätzliche Versicherung erfordert. Einkommenssteuer fällt übrigens kaum für diese Lehrkräfte an, denn der Staat erhebt diese erst, wenn das steuerliche Existenzminimum von etwa 800 Euro pro Monat überschritten wird.

Plausibler ist hingegen die Aussage von Ralf Pauli in Bezug auf private Sprachschulen. Wenn diese 6 bis 8 Euro pro Stunde für jeden Teilnehmer bekommen, dann lässt sich leicht ausrechnen, dass dies pro Stunde und Kurs schnell 80 Euro und mehr Umsatz bedeutet, der selbst dann gezahlt wird, wenn die Teilnehmer nur sehr sporadisch im Unterricht erscheinen. Die Sprachvermittlung an Flüchtlinge und Migranten ist eine Anforderung der Gesellschaft, die wie jeder andere Bildungsanspruch vom Staat mit ausreichender Qualität sicherzustellen ist. Dies würde erfordern, dass die Lehrer für Deutsch als Fremdsprache gemäß dem Tarifvertrag der öffentlichen Hand einzustellen und zu bezahlen wären. Oder man führt ein Mindesthonorar für Deutsch als Zweitsprache ein, das mindestens doppelt so hoch ist, wie gegenwärtig tatsächlich gezahlt wird. RAINER MEYER, Bonn

Der Blick über den Gartenzaun

betr.: „Und ewig grüßt Baden-Württemberg“, taz vom 4. 2. 16

Wie ewig Baden-Württemberg in dem genannten Sinne noch grüßt, bleibt freilich vorerst bis Mitte März dieses Jahres abzuwarten. Überdies, in der Sache der „sicheren“ Herkunftsstaaten dürfte selbst den allermeisten Pegidisten, Armseligen für Deutschland und anderen weniger uniformierten rechtsdrehenden Populisten die dortige Unsicherheit bekannt sein.

Während jenen aber kaum der Blick über den eigenen Gartenzaun gelingt geschweige über den deutschen Tellerrand, traue ich Winfried Kretschmann durchaus ein hartes, gewissenhaftes Ringen mit sich um Wahrheit und Machtmöglichkeiten zu.

Die eigentliche Frage, die sich in der Politik allenthalben und so ziemlich zu jedem Thema stellt – und wir Wähler bzw. Nichtwähler sind daran nicht unschuldig – , ist nun mal leider, was eine politische Meinung kostet und wie lange sie voraussichtlich vertreten werden muss. MATTHIAS BARTSCH, Lichtenau-Herbram