Flügelkampf statt Fehlersuche
: Kommentar von Ulrike Winkelmann

Was die Junge Union, die Merzens und Stoibers wohl glauben, welche Wahlanalyse Angela Merkel ihnen bieten soll? „Stimmt, Jungs, ich habe alles falsch gemacht, Kündigungsschutz und Mehrwertsteuer sind mir außerdem egal! Gerne gehe ich als persönliche und programmatische Null in die Koalitionsverhandlungen!“ So etwa? Ausgeschlossen. Solange die Koalitionäre ihren Vertrag aushandeln, kann Merkel sich keine Asche aufs Haupt streuen – das können die Kritiker vom rechten wie vom linken Flügel nicht ernsthaft erwarten. Es sei denn, es geht nur darum, sich auf Kosten der Kanzlerin zu profilieren.

Grundsätzlich liegt die Analyse der schlechten Unions-Wahlergebnisses ja längst auf dem Tisch – ungefähr seit fünf nach sechs am Wahlabend, dem 18. September. Kurzfassung: Merkel hat sich treiben lassen, statt zu treiben, den Menschen war das Programm zu kalt. Welchen Anteil das kommunikative Versagen und welchen Anteil das programmatische Versagen hatte, das macht eine Partei sowieso nach eigenem Gutdünken mit sich aus. So meinen etwa auch die maßgeblichen Teile der SPD bis heute, bloß ein Verkaufsproblem mit der Agenda 2010 gehabt zu haben. Das schont das Selbstbild.

Die Union will eine Fehlersuche ebenso wenig wie die SPD. Die Forderung nach einer „Wahlanalyse“ klingt zwar demokratisch-diskussionsfreudig. Doch handelt es sich im gegenwärtigen Zitatengewitter der CDU- und CSU-Granden in erster Linie um einen schlichten Flügelkampf: Die einen wollen dem Sozialstaat wieder mehr Respekt verschaffen, die anderen wollen das verhindern.

Ausposaunt werden solche Ansichten, um die eigene Position in den Koalitionsverhandlungen zu stärken. Das dürfte die Arbeit der anderen Unionspolitiker an den 17 Arbeitsgruppentischen nicht erleichtern. Die haben es schon schwer genug – sitzen sie doch meist erfahreneren SPD-Regierungspolitikern gegenüber, die überdies auf das geballte Wissen ihrer Ministerien zurückgreifen können. Diese Art der Selbstzerfleischung in der Union lässt darauf schließen, dass ihre Fürsten fürchten, nicht die Partei werde den Koalitionsvertrag formen – sondern umgekehrt der Vertrag die Partei.