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Archiv-Artikel

„Ich will meine Identität nicht mehr verbergen“

Seit Mitte September sitzt He Junting im Abschiebeknast Büren. Dem Anhänger von Falun Gong drohen in China Arbeitslager und Folter

Wenn ich hier kein Asyl bekomme, lande ich im chinesischen Arbeitslager

AUS BÜRENNATALIE WIESMANN

Freundlich sieht es aus, das Abschiebegefängnis Büren: Mitten im Wald gelegen ein halbes Dutzend Backsteingebäude, ein paar Insassen spielen Fußball im Hof. Wären da nicht die vielen Zäune und eine hohe graue Mauer, man könnte fast vergessen, dass es sich um ein Gefängnis handelt.

Im Besuchsraum sitzt ein kleiner, schmächtiger Mann, die Hände hat er vor sich auf dem Tisch gefaltet. Er heißt He Junting. Er ist Chinese und Falun Gong-Anhänger. Seit Mitte September ist der 40-Jährige hier inhaftiert. Weil das Ordnungsamt bei einer Wohnungsdurchsuchung im Asylbewerberheim seinen echten Ausweis gefunden hat, übersetzt eine Bekannte, die ihn aus der Dortmunder Falun Gong-Gruppe kennt.

Während Junting seine Geschichte erzählt, verzieht er keine Miene, nur seine Augen bewegen sich rasch hin und her. Als er 1996 die chinesische Provinz Vujian verließ, hatte er mit Falun Gong noch nichts zu tun. „Ich wollte in Deutschland Geld verdienen, um meiner Familie ein besseres Leben zu bieten.“ Angekommen in Deutschland, hätten ihm seine Schleuser die Papiere abgenommen und ihm geraten, Asyl zu beantragen. Juntings Gesuch wurde abgelehnt, er lebte dann viele Jahre als Illegaler in Kamen.

Ende 2003 hat er sich wegen gesundheitlicher Beschwerden der Falun Gong-Bewegung angeschlossen. „Die Beschäftigung mit den Prinzipien von Falun Gong hat mich zur Einsicht gebracht, dass ich nicht mehr meine wahre Identität verbergen will“, sagt er. Außerdem habe er immer mehr den Wunsch verspürt, zu seiner Frau und seinem Kind zurückkehren, das er zum letzten Mal gesehen hat, als es nicht einmal ein Jahr alt war. Ende 2003 beantragte er in China echte Papiere, um ausreisen zu können. Er wollte alles für eine Ausreise vorbereiten. Doch die Behörden kamen ihm und nahmen ihn fest.

„Herr Junting ist ein sehr netter Bewohner“, charakterisiert Thomas Bongartz, Beamter für „soziale Dienste“, seinen Insassen. Begeistert erzählt er von Papierblumen, die die chinesischen Flüchtlinge falten könnten. „Ganze Sträuße fabrizieren die“, sagt Bongartz begeistert.

Er lobt auch Juntings Arbeit in der „Abgangsabteilung“ – da, wo die Menschen eine Nacht untergebracht werden, bevor sie im Morgengrauen zum Flughafen gebracht werden. Junting arbeitet dort, um sein Taschengeld aufzubessern. Jeden Tag, wenn er die Bettlaken der Abgeschobenen abzieht, hofft er, dass er nicht morgen zu ihnen gehört. „Wenn ich daran denke, bin ich traurig“ sagt er, sein Gesicht bleibt dabei reglos.

Um Juli 1999 hat die Kommunistische Partei Chinas die Falun Gong-Bewegung verboten, Anhänger wurden zu Tausenden in Arbeitslager gebracht und gefoltert. „Die Kommunistische Partei merkt, dass die Zahl der Falun Gong-Anhänger ihre Parteimitglieder übersteigt, sie fühlen sich bedroht“, sagt die Übersetzerin.

Juntings Wunsch ist es, frei zu kommen, um Aufklärung zu betreiben. Das sei kein Missionieren, sagt er, „die Deutschen müssen wissen, dass Falun Gong keine Sekte ist und wie ihre Anhänger in China behandelt werden.“ Deutsch sprechen kann er kaum, denn er habe die ganze Zeit in der Küche eines chinesischen Restaurant gearbeitet. „Da hatte ich keinen Kontakt zu Deutschen.“

Junting möchte selbst entscheiden, wann er zurück geht. Denn er weiß, was anderen Anhängern von Falun Gong passiert, die zurzeit nach China ausgeliefert werden. „Sobald die Lage sich gebessert hat, will ich zurück.“ Überall habe das chinesische Konsulat seine Spitzel, glaubt er. Bei einer Demonstration von Falun Gong-Mitgliedern vor dem Kölner Dom im September habe ihn ein chinesischer Reiseführer über Falun Gong ausgequetscht. Es würde auch nicht helfen, glaubt er, wenn er dort nicht öffentlich Falun Gong praktiziere. „Die wissen schon alles über mich.“ Juntings letzte Hoffnung ist ein erneuerter Asylantrag, den er vor kurzem gestellt hat. „Wenn das nicht klappt, lande ich bei meiner Ankunft in China im Arbeitslager“, sagt er. Seine Angst verbirgt er gut. Heute ist sein Anhörungstermin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.