LeserInnenbriefe
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Es braucht mutige Politikerinnen

betr.: „Wir lassen uns nicht hetzen“, taz vom 2. 2. 16

Frau Marinićhat recht. Es braucht klare öffentliche Ansagen von PolitikerInnen aller (anderen) Parteien zu Frauke Petrys vermutlich leider erschreckend ehrlich gemeinten Aussage über den (Nicht-)Umgang mit Geflüchteten an deutschen und europäischen Grenzen. Sie hat vermutlich das ausgesprochen, was ein Teil unserer Gesellschaft inzwischen denkt. Leider. Der laxe und entschuldigende Umgang mit solchen Äußerungen von Mitgliedern der AfD ist gefährlich.

Als Studentin in West-Berlin habe ich in den 80er-Jahren erlebt, was eine hochmilitarisierte Grenze mit Schießbefehl bedeutet. Die DDR war für mich dadurch mehr fremdes Ausland als die Niederlande, an deren Grenze ich aufgewachsen war.

Es braucht klare öffentliche Ansagen dazu, dass diese Gedanken ein No-Go in der Flüchtlingsdebatte sind; es braucht mutige PolitikerInnen, die sich trauen, die Grenzen ihrer Gesprächsbereitschaft mit Mitgliedern der AfD klar zu äußern und auch durchzusetzen. Inge Wessels, Bielefeld

Per se „verdächtig“

betr.: „Ernster Schatten über den tollen Tagen“, taz vom 30./31. 1. 16

Ich kann es nicht mehr hören! Die Unbeschwertheit ist dahin!! Welche Unbeschwertheit und für wen? Als wären sexuelle Übergriffe gerade an Karneval bisher kein Thema gewesen. Und als würden im anstehenden Karneval die „Richtigen“ ins Visier oder in Gewahrsam genommen. Fest steht, dass schon jetzt am Kölner HBF verstärkte Kontrollen stattfinden, nämlich bei denjenigen, die per se „verdächtig“ aussehen. Und so haben „muslimisch“, „nordafrikanisch“ oder „arabisch“ aussehende Männer leider schon vor den tollen Tagen Pech gehabt, denn sie werden verstärkt aus den Passanten am Dom und am HBF herausgegriffen und abgetastet. Wie war das – eine Armlänge Abstand!!??

Ja. Die Unbeschwertheit, die es für diese Menschen ohnehin selten gab, ist in der Tat dahin. Hildegard Meier,Köln
Der europäische Mann

betr.: „Triumph der Ausrufezeichen“, taz vom 23./24. 1. 16

Für mich hört sich die ganze Debatte über sexuelle Übergriffe nordafrikanisch aussehender Männer auf deutsche Frauen gerade so an, als ob noch nie eine Frau von einem Europäer belästigt worden wäre. Ich selbst habe erst kürzlich in einer Stadt in Baden-Württemberg miterleben müssen, wie eine junge afrikanische Frau von einem alten deutschen Mann angemacht wurde. So viel zum Aufregerthema Köln. Auch ich musste mich schon des Öfteren von europäischen Männern auf primitivste Art und Weise anbaggern lassen. Michaela Dierolf,Tamm

Bewusst erzeugte Armut

betr.: „Seltener zum Jobcenter gehen. Hartz IV soll künftig für ein Jahr bewilligt werden“, taz vom 26. 1. 16

Die Nachteile für die Betroffenen überwiegen die Vorteile bei Weitem: Zusätzlich zu den im taz-Artikel bereits erwähnten Nachteilen kommt hinzu, dass die verschärften Sanktionen für unter 25-Jährige auf Druck der CSU uneingeschränkt beibehalten werden – obwohl SPD-Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zuvor deren Entschärfung vollmundig versprochen hatte.

Außerdem bleibt bei erwerbstätigen „Aufstockern“, die wegen ihres monatlich schwankenden Erwerbseinkommens zunächst stets „vorläufige“ Bescheide erhalten, der über den allgemeinen Grundfreibetrag hinausgehende Erwerbstätigenfreibetrag, der bis zu 230 Euro/Monat beträgt, bei der Berechnung des „aufstockenden“ Arbeitslosengeldes II nach dem Willen des Gesetzgebers zunächst komplett unberücksichtigt – was für die Betroffenen bis zur späteren Erstellung der jeweils endgültigen Bescheide eine existenzgefährdende Bedarfsunterdeckung in dieser Höhe zur Folge hat.

Und erwerbstätigen „Aufstockern“, die zusätzlich ehrenamtlich tätig sind, soll es nach dem Willen des Gesetzgebers zukünftig verstärkt „an den Kragen gehen“. Die schon bisher ohnehin nur geringen finanziellen Anreize, als „Aufstocker“ erwerbstätig zu sein, um auf diese Weise der durch bewusst zu niedrig berechneten Regelsätze erzeugten Armut wenigstens ein kleines Stückchen zu entgehen und einen Fuß in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu bekommen, werden also noch weiter reduziert. Die Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen hat dazu eine ausführliche Stellungnahme auf ihrer Homepage www.erwerbslos.de veröffentlicht. Elgin Fischbach,Leimen

Was wir nicht mehr wollen

betr.: „Für mich ist das Globalpatriotismus“, taz v. 30./31. 1. 16

Nachdem ich das Interview mit Wolfgang Niedecken von BAP gelesen habe, kam mir die Idee, den Liedtext von „Kristallnacht“ als Pflichtlektüre für jeden deutschen Schüler einzufordern. Daneben erwarte ich, dass dieser in der taz in nächster Zeit groß auf der ersten Seite veröffentlicht wird, um wieder an das zu erinnern, was wir nicht mehr wollen. Habe diesen im Oktober 1989 mit ungarndeutschen Schülern in Pecs, Ungarn, anlässlich der Ausrufung der Republik, behandelt. Weiß aber nicht mehr so genau, ob ich Erfolg hatte. Rüdiger Hillenbrand, Meßkirch