Bio und Antibiotika

Tierhaltung Gegen die eigenen Regeln erlaubt der Biolandverband, Tieren bestimmte Medikamente zu geben – notwendig oder inkonsequent?

Junge Ferkel in einem Stall in Hilter, Niedersachsen Foto: dpa

Die Megaställe

betr.: „Das merkt fast keine Sau“, taz vom 9. 2 . 2016

Liebe taz-Redaktion, der große Aufmacher auf der Titelseite zum Start der Biofach ist für mich eine Zeichen, dass die Verhältnismäßigkeit in der Diskussion um die Zukunft der Tierhaltung verloren gegangen ist. Ja, es gibt Verbesserungspotenzial in der Tiergesundheit der Biohaltung. Und dass Reserve-Antibiotika, die für die Humanmedizin bestimmt sind, nicht in der Landwirtschaft eingesetzt werden sollten, steht außer Frage. Ja, Antibiotika-Einsatz in der Biolandwirtschaft muss offener kommuniziert werden, aber die großen Probleme liegen wo anders: Überall im Land entstehen Megaställe: beispielsweise stehen 65.000 Schweine in Tornitz/Vetschau (soll auf 80.000 aufgestockt werden), weiterer sind mehrere Hühnermast-Betriebe mit 400.000 Hühnchen in der Region Wittstock/Dosse geplant oder dem größten Muttersauen-Betrieb in Alt Tellin mit 10.000 Muttersauen, die nahezu immer in ihren Kastenständen stehen.

Bäuerliche Strukturen werden durch eine gewollte Überproduktion zerstört, über 90 % der Tiere stehen in nicht artgerechten Haltungssystemen. Export zu Dumpingpreisen ist die einzige Antwort des Landwirtschafts-Ministers Schmidt.

Ich würde mir wünschen, dass es diese alltäglichen Skandale auf die Titelseite der taz schaffen. Ist der tägliche Wahnsinn keine Schlagzeile mehr wert? Interessiert es Euch nicht, dass gerade die bäuerlichen Betriebe bei Milch- und Schweinepreisen weit unterhalb der Produktionskosten zu Tausenden aufgeben? Wir brauchen einen neuen Weg in die Zukunft der Landwirtschaft – Biolandwirtschaft ist da eine wichtige Alternative! Artgerechte Haltung ein Ausweg für die Betriebe aus dem ständigen „Wachsen oder Weichen“! Haltung zeigen liebe taz, was für eine Landwirtschaft wollt Ihr? 2030 – keine (Bio)-Bauernhöfe – nur noch Agrarindustrie? Das kann doch nicht Euer Weg sein?

JOCHEN FRITZ, Kampagne Meine Landwirtschaft, Nebenerwerbs-Biolandwirt, Werder/Havel

Bio-Wirtschaftsgut

betr.: „Das merkt fast keine Sau“, taz vom 9. 2 . 2016

Bio ist gut, konventionell ist schlecht, genau so will die Gesellschaft das lesen, hören, und wissen... Und wehe jemand kritisiert die Bio-Landwirtschaft das darf nicht einmal die taz. Auch in der Bio-Landwirtschaft sind Tiere ein Wirtschaftsgut und auch der Bio-Bauer verdient mehr, wenn die Sau mehr Ferkel großzieht, die Kuh mehr Milch gibt und das Huhn mehr Eier legt und die Tiere nicht an irgendwelchen Krankheiten leiden oder gar sterben. BERNHARD HELLWEG,taz.de

Verhältnismäßig

betr.: „Das merkt fast keine Sau“, taz vom 9. 2 . 2016

Hallo taz, uhhhh, Skandal! 35 Ausnahmegenehmigungen zur Einzel(!)tierbehandlung im Jahr 2014 bei mehr als 6.200 Landwirten, Imkern und Winzern. Und die „Rache von Bioland“ droht jedem, der sich gegen Bioland äußert? Insgesamt hätte es vor allem zwei Nummern kleiner und deutlich weniger reißerisch gebraucht, um noch verhältnismäßig zu sein. Informative Berichterstattung und pointierte Titel: Ja! Einzelne und durchaus verdiente Anbieter mal eben in die Tonne treten: Nein!

WIBKE CRAMER, Denzlingen

Naive Verbraucher

betr.: „Das merkt fast keine Sau“, taz vom 9. 2 . 2016

Leider liegt es im Wesen der Menschen, dass sie erst bei Unglücken und Skandalen aufwachen. Aber wir lernen letztlich auch daraus. Was ich schade finde bei vielen Beiträgen ist dass nun Bio grundsätzlich in Frage gestellt wird. Die Biobranche hat längst bewiesen, dass auch ohne Pestizide und Genmanipulation genügend Nahrungsmittel produziert werden können. Ohne katastrophalen Artenschwund. Die geringeren Ernteerträge werden über einen langen Zeitraum aber durch wesentlich widerstandsfähigere Böden und damit Erntesicherheit wett gemacht.

Der aktuelle Skandal bezieht sich hingegen auf die Tierhaltung. Solange wir es nicht einsehen wollen auf Fleisch und Milchprodukte zu verzichten werden auch in der Biobranche unter dem massiven Verbraucherdruck nach billigen Fleisch- und Milchprodukten Skandale vorkommen. Das eigentlich Skandalöse ist der naive Glaube bei Verbrauchern und Herstellern gänzlich ohne Tierleid Fleisch- und Milchprodukte herstellen zu können. Leider hat die Biobranche stark zu dieser weit verbreiteten Illusion beigetragen. Natürlich ist dann die Aufregung groß wenn dieses Kartenhaus zusammenbricht.

BERND KOTTSIEPER, taz.de

6,4 kg Antibiotika

betr.: „Das merkt fast keine Sau“, taz vom 9. 2 . 2016

Da ist der Gaul (oder die Sau) wohl mit der taz oder dem taz-Redakteur durchgangen. Ist jedes Maß abhanden gekommen? Da wird auf Seite 1 und in einem ganzseitigen Artikel angeprangert, dass der Verband Bioland 35 Ausnahmegenehmigungen (in 2014) für die Anwendung von bestimmten Antibiotika (Fluorchinolone) in der Bio-Schweinemast erteilt hat – obwohl das die Bioland-Richtlinien möglicherweise nicht vorsehen.

Bei ca. 120.000 gehaltenen Bio-Schweinen in Deutschland also ein Anteil von ca. 1/4 Promille aller Bio-Schweine. Natürlich sollte Bioland seine Richtlinien einhalten, und natürlich sollten am besten Fluorchinolone in der Landwirtschaft generell verboten werden.

Aber die Ursache des Problems liegt woanders: In Deutschland werden jährlich ca. 6 Mio. Tonnen Schweinefleisch erzeugt, davon 99,6 % konventionell. In der Schweinemast werden ca. 50 % aller Antibiotika bei der Fleischerzeugung eingesetzt, bei insgesamt 1734 Tonnen Antibiotika, die 2011 an Tierärzte abgegeben wurden (Quelle: PAN Germany). Die eingesetzten Antibiotika summieren sich bei den 46 Schweinen, die jede/r Deutsche in seinem Leben verzehrt, auf 6,4 kg (!) Antibiotika.

BERTRAM PREUSCHHOF , Gleichen

Alle Konsequenzen

betr.: „Langsam reißt der Geduldsfaden“, taz vom 9. 2. 2016

Entweder man ist konsequent Bio oder man schafft eine Ausnahme Regelung nach der anderen. Denn bei einer wird es wahrscheinlich nicht bleiben. Wer sich für Bio-Landwirtschaft entscheidet muss mit Allen Konsequenzen leben! Das heißt auch mit Verlusten, weil eben nicht chemische Mittel zum Einsatz kommen. Egal ob bei Tier oder Pflanze.

Fakt ist, wir haben eine riesige Überproduktion in Deutschland und machen mit dem Export von Fleisch andere Kleinbauern im Ausland kaputt. Moderner Imperialismus ist das. Bio sollte Alternativen zum konventionellen Markt schaffen. Wenn dort wieder mit Chemie gepampert wird, geht die einst gute Idee den Bach herunter! Analog den Grünen, die auch ihre Ideale verraten haben. Und Journalisten haben die Plicht auf Missstände hinzuweisen! Notfalls auch überspitzt. Danke an Herrn Maurin für den guten Artikel!

FREI_DENKEN , taz.de

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