Katzen hat er auch

Tanz Ein Porträt des Choreografen Martin Schläpfer könnte interessant sein, transportiert aber leider fast nichts

Martin Schläpfer in seinem Haus im Tessin Foto: Lennart Speer

von Astrid Kaminski

Er hat zwei Hasen. Angeschafft hat er sie, als sein Vertrag an der Oper am Rhein verlängert wurde. Katzen hat er auch. Weshalb die Maklerin empfahl, eher ein Haus zu kaufen als zu mieten. Düsseldorf sei schließlich nicht Mainz. Wo es anscheinend noch katzenfreundliche Vermieter gibt. Er hat auch eine Einsiedler-Hütte im Maggiatal im Tessin. Dort stochert er im Kamin rum und sagt in seinem monotonen Tonfall, Feuer müsse genährt werden. Das sind einige der wesentlichen Dinge, die der durch und durch versiebte Dokumentarfilm „Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“ von Annette von Wangenheim über den schweizstämmigen Martin Schläpfer, Direktor des 45-köpfigen Balletts am Rhein, verrät.

Der Titel des Films über den Erfolgschoreografen, der Berlin auf der Suche nach einen Nachfolger für Vladimir Malakhov einst eine Absage erteilt hatte, paraphrasiert Gustav Mahler. Der Grund, warum diese angestrengt antikonservative Weisheit für Kreative es zum Titel geschafft hat, ist sogar nachvollziehbar, spiegelt sich in ihm doch die interessanteste Episode des Films: Martin Schläpfer, der Feuilletonliebling, dessen Ballett am Rhein im letzten Jahr zum dritten Mal in Folge von der Kritikerumfrage der Fachzeitschrift tanz zur Compagnie des Jahres gewählt wurde, Martin Schläpfer, einer der derzeit hochgehandeltsten Ballettchoreografen überhaupt, dieser Martin Schläpfer bekritzelt die Wände seines Hauses und seines Büros mit allerlei besseren Toilettensprüchen. Außerdem kleckst er überall Farbe hin, auf den Boden, in die Dusche – nur auf die gute Corbusierliege vor seinem Rheinblickfenster nicht. Eine der Kritzeleien ist eben jenes Mahler-Motto.

Im fingierten Selbstgespräch sinniert der entwaffnend ehrliche Schläpfer über seine Wand- und Bodennotate: „Wo sind die anerzogenen Grenzen in einem selbst?“ Und dieses Spannungsverhältnis, das sich hier zwischen seiner offensichtlich gestauten Privat- und seiner in hochmusikalische Choreografien ausfließenden Künstlerpersönlichkeit auftut, könnte interessant sein. Könnte. Aber das eklatante Problem dieses verstaubt konventionell gemachten Films mit den kunstfreien Schnitten zwischen Wohnung, Almhütte, Proberaum und Bühne ist eben gerade, dass er so gut wie nichts über den Künstler Schläpfer transportiert.

Leider swingt im Film dann aber gar nichts. Und das ist ein Drama

Ständig arrangiert die Regisseurin ihn zusammen mit Kolleg*innen wie seiner langjährigen Dramaturgin Anna de Paco, der Ballerina Marlúcia do Amaral, der Komponistin Adriana Hölzky oder dem angebeteten Meister Hans van Manen, nur um ihnen ein paar nichtssagende Ehrbezeugungen zu entlocken. Die durchweg devote Haltung aller ist so enervierend wie die Tatsache, dass Hans van Manens Satz „It has to swing, always – Bach wusste das schon“ der absolute Höhepunkt dieser Gesprächsinszenierungen ist.

Leider swingt dann aber gar nichts. Und das ist ein Drama. Denn wenn man es schafft, die tänzerische Musikalität aus Schläpfers Choreografien herauszuschneiden – die Mischung aus pointierten Figuren, kurzen, atemknappen Phrasen und großen, sich altmeisterlich fügenden und doch mit eigenem Strich geführten Tableaux in traumsicherer Verwandtschaft mit der Musik –, dann bleibt nichts übrig. Schläpfers Choreografien bauen erklärtermaßen auf nichts anderem als Musik auf. Nichts von dem, wie er sich Partituren annähert, welche Fragen er an das Werk stellt, fängt Wangenheim ein. Stattdessen lässt sie die Kamera ständig zwischen Panorama und Close-up wechseln. Vollkommen unmotiviert sind die Zooms auf überschminkte Gesichter und übertriebene Mimik, die eigentlich auf Distanz angelegt sind. Jeder Trailer der thematisierten Werke gibt mehr wieder. Einzig bei der Arbeit an Adriana Hölzkys „Deep Field“ – einer in seiner romantisch verhafteten Weltraumvorstellung nicht recht geglückten Auftragskomposition – lässt die Kamera zumindest etwas Raum für die Entwicklung einer choreografischen Linie. Gute Tanzfilme zu machen ist bekanntermaßen eine Königsdisziplin. Nicht, dass Wim Wenders’„Pina“ das Maß aller Dinge wäre. Vielmehr: Diese Vergleichsliga muss hier erst gar nicht bemüht werden.

„Feuer bewahren – nicht Asche anbeten“: ab 11. Februar im Kino