Berlinmusik

Pop von der Straße

Neulich lag eine in Zeitungspapier gewickelte CD bei mir im Briefkasten. Der Absender: Vizediktator. So lautete der Name der Band, der nebst Albumtitel – „Rausch” – mit schwarzem Filzer auf den Tonträger gekritzelt war. Das machte doch direkt mal neugierig: eine Band, die der Macht nahesteht und die zur konspirativen Übergabe des zu rezensierenden Materials eigens einen Außendienstmitarbeiter abgestellt hatte.

Vizediktator machen noch neugieriger, wenn man die Songs hört, die sich auf dieser 6-Song-EP befinden. Denn die Kreuzberger Band übersetzt Deutschpunk und Postpunk klug in die Gegenwart, weiß mit Sprache umzugehen und versteht es, mit recht sparsamen Mitteln einen guten Rocksong zu schreiben. Laut Eigenbeschreibung spielen sie „Straßenpop“ – und wenn das signalisiert, dass man sich zumeist irgendwo zwischen Streetpunkräudigkeit und fluffigem Popsong bewegt, so ist diese Bezeichnung ganz stimmig.

Die Songs des Berliner Trios erinnern an die besseren deutschsprachigen Indie- und Punkbands dieser Tage wie etwa Turbostaat, Messer oder Love A. Mit genannten Bands verbindet Vizediktator, dass sie politische Inhalte transportieren – zum Teil aus einer Alltagsperspektive erzählt, zum Teil aber auch sehr direkt und themenbezogen: „Dessau“ scheint auf einen dort von Nazis begangenen Mord genauso wie auf den Fall Oury Jalloh anzuspielen, „Stadt aus Gold“ kann man als Kommentar zur aktuellen Wohnraumpolitik lesen. Daneben leben, lieben und leiden die Musiker in und mit Berlin und gießen das in meist melodische Songs mit Wiedererkennungswert („Staub & Drogen“, „Bülowstraße“, „Tränen im Gesicht“).

Die wiederkehrenden Elemente in den Liedern sind Stakkato-Gitarren, ein wummernder bis klirrender Bass, dazu hoher Gesang, manchmal Schreigesang. Die Produktion ist schon mal ausgefeilt – Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic et altera) hat dafür gesorgt, dass Wucht und Wut gut in ihrem Sound transportiert werden. Das Songwriting kann sicher noch ausgereifter und unkonventioneller werden, aber es gibt die Band auch erst seit etwa drei Jahren.

Da kann also noch was kommen. Und sollten sich Vizediktator die Musikwelt dann irgendwann untertan machen, so wäre das nicht die schlechteste Nachricht. Jens Uthoff

Vizediktator – Rausch (Sportklub Rotter Damm) erscheint am 19. Februar, Release-Party am 20. Februar, 20.30 Uhr im Monarch