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Demokonzert im SO36

Empowerment Die Organisation Pinkstinks protestiert seit Jahren gegen Sexismus in den Medien. Am Donnerstag schmeißt sie eine Party, jede*r ist willkommen

„Mädchen“ und „Mädels“ hört man ständig bei GNTM, Volljährigkeit hin oder her. „Frau“ klingt wohl nicht so lässig Foto: Bild von Ernst Ludwig Kirchner: Wikipedia

von Donata Kindesperk

Dass „Germany’s Next Topmodel“ nicht mehr zur liebsten Fernsehsendung von Feminis­-t_innen und Klassenkämper_innen werden wird, brauchen wir nicht zu diskutieren. Das Format ist oberflächlich, realitätsfern und banal – wie andere Castingshows auch.

Problematischer als das: Essstörungen und andere psychosoziale Erkrankungen unter Jugendlichen werden häufiger. Die Schuld daran mag man schwerlich einer TV-Sendung zuweisen wollen. Aber, wie Pinkstinks Deutschland Gründerin Stevie Schmiedel im Gespräch mit der Neuen Westfälischen anmerkte: „2006, als es die Sendung noch nicht gab, waren noch 70 Prozent der Mädchen von 16 bis 17 Jahren mit ihrem Aussehen zufrieden. Drei Jahre später waren es nur noch 55 Prozent. Und 2012 waren es gerade mal noch 47 Prozent.“

Die Musikerin Sookee, die am Donnerstag im SO36 auftreten wird, begründetet die explizite Kritik an genau dieser Sendung im Interview mit der Intro Anfang Februar damit, dass die Sendung exemplarisch für das größere Phänomen ist: Bodyshaming und Sexismus, gepaart mit etwas Rassismus, Entmündigung durch Kontrolle, Lookismus sowieso. In der ersten Folge der aktuellen Staffel stellte sich eine Woman of Color als Teilnehmerin vor. Pinkstinks schrieben auf Twitter über den darauf folgenden geistigen Ausfall der Jury: „Wurzeln in Zimbabwe zu haben ist übrigens „total crazy“ und „’ne wilde Mischung“. Aaaah Rassismus – da bist du ja wieder!“

Die Castingshow läuft um 20.15 Uhr im Privatfernsehen; gemäß der Empfehlung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) entspricht das einer Altersfreigabe ab 12 Jahren.

Donnerstag, 11. FebruarDemokonzert gegen Körperhass und Sexismus: In der 11. Staffel von Germany’s Next Topmodel wird erneut Millionen von Frauen erklärt, wie sich die Modelobby die perfekte Frau vorstellt. Nach jahrelangem Protest dagegen lädt Pinkstinks dieses Jahr zum Feiern ein: „Wir feiern, dass wir ganz viele sind, die keinen Bock auf Rollenvorgaben à la Germany’s Next Topmodel haben. Weil die Wirtschaft an Vielfalt schlecht verdienen kann, macht sie uns auch nicht sichtbar. Deshalb werden wir laut. Sehr laut. Mit kurzen, aber inspirierenden Panels, einer glamourösen Modeschau aber vor allem mit sehr viel guter Musik und einer fetten Party. Kommt vorbei! Der Eintritt ist frei!“ Demokonzert mit Performances, Fashion-Shows und Talks: „Lieblingsmensch – Wir feiern jede*n!“ 19 Uhr, SO36, Oranienstraße 190

Das Target Marketing – also die Segmentierung des Marktes in bestimmte Zielgruppen mit anschließendem Zuschnitt von Werbemaßnahmen und Waren auf diese – richtet sich aber inzwischen auch an Achtjährige, die die Sendung laut KJM noch gar nicht sehen sollten.

Pinkstinks schreiben auf ihrer Website: „Hier sollen noch jüngere Absatzmärkte erschlossen werden als die, welche die Werbekunden bislang durch Produktplazierung und Werbeminuten erreicht haben.“ Unter den Produkten für die ganz junge Zielgruppe ab acht Jahren: Das Germany’s next Topmodel-Magazin, verlegt vom Egmont Ehapa Verlag, das laut Selbstbeschreibung mit „Style-Vorlagen“ und der finalen Antwort auf die die Grundschulhöfe bewegende Frage: „Wie laufe ich richtig auf dem Catwalk?“ glänzt.

Das Demokonzert im SO36 stellt keine solchen fiktiven Hürden in den Weg der interessierten Menschen: Niedrigschwellig soll die Party sein. Dank freiem Eintritt ist die Teilnahme am Demokonzert keine Frage der Besitzverhältnisse. Feministisches Vorwissen ist nicht nötig. Jede*r ist willkommen. Dabei sein werden neben Vertreter_innen von Pinkstinks, Rapperin Sookee und weiteren Musikerinnen auch die vertrauten Gesichter Silke Burmester und Margarete Stokowski.