In den Vorgärten am Stadtrand gibt es viele Fahnen. Kein Problem. Aber muss es wirklich die deutsche sein?
: Ausgeflaggt

Foto: privat

AM RAND

Klaus Irler

Kürzlich kam ich wieder vorbei an diesem Einfamilienhaus, in dessen Vorgarten eine große, prominent platzierte Deutschland-Flagge weht. Es ist nichts Besonderes bei mir am Stadtrand, dass sich die Einfamilienhaus-Bewohner eine Flagge in den Vorgarten hängen: Da wehen HSV-Flaggen, Hamburg-Flaggen, Hamburg-Freezers-Flaggen und Flaggen mit Schneemännern drauf. Und eben auch diese dicke Deutschland-Flagge, bei der mich jedes Mal so ein unangenehmes Gefühl beschleicht.

Ich weiß schon, eine Deutschland-Flagge im Vorgarten muss nicht zwangsläufig heißen, dass ihr Besitzer zu den Pegida- oder AfD-Hetzern gehört. Es kann alles Mögliche dahinterstecken. Aber trotzdem: Haben die Leute nichts Persönliches, zu dem sie sich bekennen können? Muss es wirklich Deutschland sein? Als wohnten sie nicht in der Hamburger Vorstadthölle, sondern im Berliner Schloss Bellevue.

Dass sich der Bundespräsident eine Deutschland-Flagge aufs Dach stellt, kann ich noch verstehen – als Staatsoberhaupt kann er schon mal sagen, welchen Staat er vertritt. Aber in Zeiten, in denen die Deutschland-Flagge von rechten Demonstranten gebraucht wird, um einen neuen Nationalismus zu propagieren, muss sich Joachim Gauck sicher Mühe geben, dass er sich jeden Morgen über seine Flagge freuen kann.

Das heißt jetzt nicht, dass er sie abhängen soll. Wäre ja bescheuert, den Rechten das Feld zu räumen. Trotzdem fände ich es eine interessante Geste, wenn die Regierenden mal Deutschland Deutschland sein ließen und bei der Beflaggung zum Individuellen übergingen. Sie könnten zum Beispiel Flaggen mit einem Foto ihrer Leibspeise aufstellen. Gauck steht auf Bratkartoffeln mit Schwarzbrot und Quarkdip. Das wären dann gleich drei Flaggen: Eine mit Bratkartoffeln, eine mit Schwarzbrot und eine mit Quarkdip.

Auf Angela Merkels Kanzleramt könnte man dementsprechend Königsberger Klöpse wehen sehen. Auch Rouladen und Grünkohl soll sie mögen. Ginge alles, Fahnenstangen hat sie ja genug. Ebenso wie Ursula von der Leyen auf und vor dem Verteidigungsministerium. Ihre Leibspeisen: Obst, Gemüse und Latte Macchiato. Kalorienhaltiges mag sie gar nicht. Gefiele mir gut: Die Truppe wird vegetarisch beflaggt, nicht fleischig, wie man eigentlich annehmen würde.

Etwas Schönes an Deutschland ist übrigens, dass im Gegensatz zu anderen Staaten eine tägliche bundesweite Beflaggung sämtlicher Dienstgebäude nicht vorgesehen ist. So will es das Protokoll der Bundesregierung. Es gibt nur ein paar Ausnahmen wie die obersten Bundesbehörden und die Bundeswehr, da weht die Flagge immer. Und dann gibt es natürlich die Feiertage und Todesfälle, an denen beflaggt wird.

Vor dem Hamburger Rathaus wird das nächste Mal planmäßig am 1. Mai aufgeflaggt. Welches Lieblingsgericht Olaf Scholz beitragen könnte, weiß man nicht, weil er über so etwas nicht öffentlich spricht. Scholz ist eher ein trockener Typ, bekannt allerdings als Aktenfresser. Da könnte er doch einen Papierhexsler flaggen. Von mir aus in Schwarz-Rot-Gold.