Berlinmusik

Zweierlei Gedenken

Es war ein Abschied auf Raten. Im Mai 2013 gaben die Berliner Philharmoniker ihr letztes Konzert unter Claudio Abbado, im Januar 2014 ist der Dirigent gestorben. Abbado und die Berliner Philharmoniker verband eine lange Zusammenarbeit: Von 1990 bis 2002 hatte er das Orchester geleitet, als Gastdirigent war er schon 1966 zu den Berlinern gestoßen. Und fast bis zu seinem Lebensende immer wieder zu ihnen zurückgekehrt.

Jetzt haben die Berliner Philharmoniker die Aufnahme von dieser allerletzten Begegnung mit einem der größten Dirigenten des 20. Jahrhunderts in großzügiger Aufmachung herausgebracht. Abbado, der sich zeitlebens stark für die Musik der Gegenwart engagiert hat, wählte diesmal zwei Romantiker recht gegensätzlichen Temperaments: hier Felix Mendelssohn-Bartholdy, dessen Eleganz oft als Leichtgewichtigkeit missverstanden wird, da der farbensprühend-schillernde, düstere Hector Berlioz – auch persönlich konnten die beiden eher wenig miteinander anfangen.

Sowohl bei Mendelssohn-Bartholdys „Ein Sommernachtstraum“, zu dem etwa der gern bei Trauungen gespielte „Hochzeitsmarsch“ gehört, als auch in der „Symphonie fantastique“ von Berlioz nimmt sich Abbado deutlich zurück, setzt weniger auf das Strahlende, scharf Akzentuierte als auf leise Poesie. Selbst in den unheimlicheren Passagen dominieren bei ihm melancholische Töne.

Eine ganz andere Form von Tribut haben Die Hochstapler vorgelegt. Das Berliner Quartett erweist auf seinem aktuellen Album dem Musiker und Mathematiker Alvin P. Buckley die Ehre. Dieser Wahrscheinlichkeitstheoretiker aus Chicago soll sich nach einer Begegnung mit Karlheinz Stockhausen aus dem Musikgeschehen zurückgezogen haben. Dafür hinterließ er ein Tagebuch, aus dessen Notizen der Saxofonist Pierre Borel, Trompeter Louis Laurain, Kontrabassist Antonio Borghini und der Schlagzeuger Hannes Lingens sich Anregungen für musikalische Spiele geholt haben.

Das Ergebnis: avancierter Jazz, der auf spontanen Dialog setzt. Wie die zugrunde liegenden Ideen in Musik übersetzt werden, kann man beim Hören allein jedoch nicht erkennen. Und dass man im Netz auf den Namen Buckleys nur in Verbindung mit dieser Platte stößt, soll nicht weiter stören. Die Herren heißen schließlich Die Hochstapler. Tim Caspar Boehme

Berliner Philharmoniker, Claudio Abbado: „The Last Concert“ (Berliner Philharmoniker Recordings)

Die Hochstapler: „Die Hochstapler plays the music of Alvin P. Buckley“ (Umlaut Records)