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Einblick (608)

Dae-Hong Kim, Interdisziplinärer Künstler

taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder aufgeregt? Und warum?

DHK: Tehching (Sam) Hsiehs „Time Clock Piece“ im Rahmen seiner „One Year Performance“ auf der Transmediale 2015. Ich war berührt von ihrer Einfachheit und der kraftvollen Darlegung des Systems, in dem wir leben. Als Zweites der Film „Lust & Sound in West-Berlin“ im Babylon. Ich wusste nur wenig über Berlin, weil wir im Künstlerhaus Bethanien (KB) aus dem Ausland kommen. Dieser B-Movie half mir, Berlins jüngste Geschichte und seine kulturellen Strömungen, wie den Widerstand gegen Kapitalismus und Gentrifizierung, zu verstehen.

Welches Konzert oder welchen Klub können Sie empfehlen?

Ich habe nicht viel Konzert- und Kluberfahrung, weil ich so faul bin. Dafür aber eine Lieblingsbar: das Pirata Patata. Wir KB-Kollegen nennen die Bar „Potato Pirate“, weil die meisten Leute dort aussehen wie Piraten im Ruhestand. Ein toller Platz, Fassbier zu trinken und Leute zu treffen. Die Inhaber unterstützen soziale Aktivitäten, etwa die Flüchtlingsbewegung. Der beste Platz, Geschichten über Berlin zu hören, die ich niemals aus den Medien erfahren würde.

Welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag?

„Let the right one in“, eine Liebesgeschichte zwischen einem Vampir und einem Jungen. Ich liebe den Titel, auch wenn ich nicht definieren kann, was „der/ die Richtige“ ist. Ich habe das Buch für meine neueste Videoarbeit im KB als Sockel benutzt. Dann ist da noch „Persepolis“ von Marjane Satrapi. Ich habe es mehrmals gelesen, aber nie auf Deutsch. Ich dachte, es wäre ein guter Weg, Deutsch zu lernen. Ich versuche es weiter, aber ich glaube, es ist keine besonders kluge Idee.

Was ist Ihr nächstes Projekt?

Ich habe viele Ideen für zukünftige Projekte in Berlin, bin aber noch nicht sicher, welches Projekt ich wo und wann angehen werde. Ich brauche etwas Zeit, all die Ideen zu verdauen. Allerdings gibt es ein Comic-Langzeitprojekt. Ich habe schon einige Kurzgeschichten, basierend auf persönlichen Erlebnissen und Fantasien, und möchte ein düsteres Märchen zu unseren inneren Kämpfen veröffentlichen.

Zur Person

Dae-Hong Kim ist ein interdisziplinär arbeitender Künstler, der unterschiedliche Medien wie z. B. Video, Sound, Installation, Malerei, Roboterkunst und Langzeitperformance benutzt. Seine Arbeiten sind meist inspiriert von ganz gewöhnlichen Dingen, denen wir täglich begegnen: Plastiktaschen, Mülltüten und andere Alltagsobjekte. So zuletzt benutzt für die Performance „Robot Stories”, Holmgård gAlleria, Kopenhagen, 2015. Das Künstlerhaus Bethanien zeigt derzeit das im Rahmen seiner Residenz entwickelte „Zoo | Lab“ (s. S. 14)

Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen am meisten Freude?

Es ist, als ob jeder Berliner nach der Arbeit auf der Straße eine Flasche Bier in der Hand hält. Ich bin inzwischen genauso. Ich kann der Versuchung einfach nicht widerstehen, auch wenn das meiner Leber nicht gefällt.

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