Praktikum als Volksvertreterin

Die Studentin Nele Hirsch will für die Linkspartei im Deutschen Bundestag da weitermachen, wo sie gerade aufgehört hat:Die Sprecherin des Studentendachverbandes fzs wird gegen den sozialen Ausschluss in Schulen und Hochschulen kämpfen

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER

Im Studentenverband haben sie gerade wieder mal Stress. Werfen sich gegenseitig vor, nicht links genug zu sein. Drehorgeln einmal mehr den Uraltstreit, ob eine Studentenvertretung schlagkräftige Lobby auf nationaler Ebene sein sollte. Oder eher Forum für die studentische Basis. Wie das bei den kleinen Dutschkes so ist.

Nele Hirsch stört dieses Hickhack. „Ich weiß gar nicht, ob der Streit politisch ist“, sagt die Studentin, „oder ob es da um persönliche Sachen geht.“

Nele Hirsch, 25, hat leicht reden. Gerade war sie noch Sprecherin des „freien zusammenschlusses der studierendenschaften“ (fzs), des studentischen Sprachrohrs auf nationaler Ebene, das rund 850.000 Studierende hinter sich sieht. Jetzt hat Hirsch ihre Berufung zu ihrem Job gemacht. Die junge Frau ist für die Linkspartei ins Parlament gegangen. Nicht als Mitarbeiterin eines MdB, sondern gleich selbst als Abgeordnete.

Der Bundestag ist für Nele Hirsch weitere Station eines kleinen Weltstudiums. In Jena hat sie mit Politikwissenschaften begonnen. Ihre beiden Nebenfächer trugen sie dann 2001 und 2002 rund um die Welt. Die „interkulturelle Wirtschaftskommunikation“ führte sie fast ein Jahr nach Osaka, Japan. Die Semesterferien verbrachte sie in Peking. Als sie aus Osaka zurück war, wechselte sie mit den „Islamwissenschaften“ gleich nach Damaskus, Syrien. Heute ist Hirsch in Berlin eingeschrieben, allerdings beurlaubt, für ein Praktikum als Volksvertreterin gewissermaßen. So sieht sie das auch politisch. „Ich bin keine Studentenvertreterin mehr. Bildung kann man nur als Ganzes behandeln, vom Kindergarten über Schulen und Hochschulen bis zur Weiterbildung.“

Im Hohen Haus ist Nele Hirsch nicht allein. Mit ihr zieht eine Reihe exquisiter Bildungsleute neu in den Bundestag ein. Thomas Oppermann (SPD), Ex-Wissenschaftsminister aus Niedersachsen, Steffen Reiche (SPD), Ex-Wissenschafts- und Bildungsminister aus Brandenburg, Konrad Schily (FDP), der Unigründer aus Nordrhein-Westfalen. Aber Hirsch ist anders. Kompromissloser – und doch verbindlicher. Sie ist links, aber sie gibt sich offen. Die Tochter eines Lehrerehepaars von der Schwäbischen Alb sagt: „Man muss mit allen reden.“ Dann macht sie eine Pause. „Man muss nur wissen, wozu.“

Zum Beispiel hält sie es „für vollkommen klar“, dass man das Beste herausholen muss – wenn die Gebühren beschlossene Sache sind. „Nur kann man doch nicht schon vorher als Studentenvertreter mit den Kultusministern an Gebührenmodellen basteln.“ Als sie in Damaskus studierte, trug Hirsch einen Schleier – um die Stadt besser erkunden zu können, aber nicht weil sie das Kleidungsstück politisch oder ästhetisch toll fand.

Aber was will sie bloß im Bundestag, der in Bildungsfragen doch kaum etwas zu sagen hat? Erstens will sie durch Diskussion Transparenz schaffen: „Bildungsreformen sind nicht mit dem Geklüngel in der Kultusministerkonferenz machbar. Da braucht man die Betroffenen.“ Und zweitens geht ihr das große Manko deutscher Bildungsinstitutionen auf die Nerven: der soziale Ausschluss. „Dieses Bildungssystem hat von unten bis oben das Ziel, die Besten der Besten herauszufiltern.“ Das sei falsch, das sei ungerecht, „das muss man bekämpfen“, sagt sie.

Für die weitgereiste Schwäbin ist es kein Widerspruch, dass sie zu einem Zeitpunkt Bildungspolitik machen will, da die Länder den Bund völlig aus dem Thema drängen. Sie findet: „Genau der richtige Moment, um über den Bundestag Verbündete zu gewinnen.“