Leise rieselt der Staub

OPER Ralf Nürnberger inszeniert in Bremerhaven Mozarts Klassiker „Don Giovanni“. Die musikalische Seite des Abends geriet dabei deutlich überzeugender als die Regie

Am Ende stehen die zuvor gründlich erschütterten braven Bürger erleichtert da und singen mit erhobenem Zeigefinger: „So geht’s dem, der Böses tut“

VON ANDREAS SCHNELL

Vieles wurde schon angestellt mit Mozarts „Don Giovanni“, und er hat alles überstanden. Auch eine eher uninspirierte Inszenierung wie die, die am ersten Weihnachtsfeiertag am Bremerhavener Stadttheater Premiere hatte. Dabei ist es natürlich grundsätzlich nicht verkehrt, auf allzu viel Bühnenzauber oder bemühte Zeitreisen zu verzichten. „Don Giovanni“ ist schließlich nicht ohne Grund eine der meistgespielten Opern, Mozarts Musik und Lorenzo da Pontes kongeniales Libretto kommen bestens ohne große Interpretationsfracht aus, die Geschichte des Verführers mit gruseligem Ende erschließt sich auch heute ohne Weiteres.

So ganz ohne einen durchdachten Regieansatz geht es aber auch nicht. Und ein solcher war am Dienstagabend kaum zu erkennen. Zwar war Regisseur Ralf Nürnberger sichtlich daran gelegen, den Charakter eines Dramma giocoso zu betonen, aber für komödiantische Eskapaden fehlte es dem Ensemble nur zu oft an spielerischem Esprit.

Einleuchtend ist zunächst das Bühnenbild: der biedere Salon im Halbrund, die Privatsphäre der bürgerlichen Gesellschaft, in die Don Giovanni einbricht, einmal auch durch den Wandschrank. Um diesen Raum herum findet das öffentliche Leben statt, von der Hochzeit bis zur Bahre. Eine weitere Ebene entsteht durch einen zusätzlichen Vorhang vor dieser Welt. Doch leider schöpfen Nürnberger und sein Bühnenbildner Johannes Haufe das Potenzial dieses Raumkonzepts nicht aus, es gelingt ihnen nicht, den Staub der Jahrhunderte abzuschütteln, der sich vor allem in der Kostümierung angesammelt hat.

Musikalisch war der Abend erfreulicher. Bart Driessen als Leporello, Diener des Don Giovanni, glänzte spielerisch wie gesanglich. Auch Tomohiro Takada überzeugte in der Titelrolle als vitaler Herzensbrecher. Die drei Damen, mit denen er in seinen letzten Tagen anbandelt, meisterten ihre Partien ordentlich bis sehr gut, Franziska Krötenheerdt sang die Zerlina mit müheloser Leichtigkeit, Katja Bördner als Donna Anna entwickelte im Lauf große Ausdruckskraft, Svetlana Smolentseva war die gelegentlich etwas grelle Donna Elvira, die Don Giovanni unerbittlich nachsteigt. Peter Kubik als Zerlinas Bräutigam Masetto und Reto Raphael Rosin als Donna Annas Verlobter Don Ottavio haben gegen Don Giovanni nicht nur in der Liebe schlechte Karten. Als eher schlaffe Männchen, die dennoch oder besser: genau deshalb die Frauen per Hochzeit domestizieren wollen, sind sie auch musikalisch nicht unbedingt die besten Partien. Kubik schlug sich dabei mehr als ordentlich, Rosin wirkte farblos. Bliebe noch Andrey Telegin als Komtur, der als Wiedergänger einen Auftritt im Parkett hat. Hier hätte man sich etwas mehr düstere Kraft gewünscht. Aber es genügte, um Don Giovanni zur Strecke zu bringen.

Am Ende stehen die zuvor gründlich erschütterten braven Bürger erleichtert da und singen mit erhobenem Zeigefinger: „So geht’s dem, der Böses tut.“ Bis sie von Don Giovannis diabolischem Gelächter aus dem Jenseits unterbrochen werden – ihres Glücks werden sie sich nicht mehr sicher sein.

■ Weitere Aufführungen: Sonntag, 6. 1., 19.30 Uhr, Freitag, 11. 1., 15 Uhr, Stadttheater Bremerhaven