Die Hände zum Himmel

Handball-EM Die Fähigkeit, mit voller Konzentration in einen "Tunnel" zu gehen, ist der Grund, warum die DHB-Auswahl heute gegen Norwegen als Favorit gilt und aufs Finale spekuliert. Und vom Titel träumt

Würfe aus dem „Tunnel“ Foto: dpa

aus Breslau Michael Wilkening

Vor ungeahnten Problemen stehen die deutschen Handballer nach ihrem Erfolg über Dänemark und dem damit verbundenen Einzug ins Halbfinale der EM in Polen. Sportlich läuft vor dem Spiel heute gegen Norwegen (18.30 Uhr, live im ZDF) zwar alles wie selbstverständlich weiter, Probleme bereitet jedoch das Organisieren von Tickets für Freunde und Familie.

Das Spiel gegen Dänemark, das mit einem 25:23-Erfolg der deutschen Mannschaft endete, war am Mittwochabend noch keine halbe Stunde vorbei, als Fabian Wiede, dem noch das durchgeschwitzte Trikot auf dem Körper klebte, telefonierte. Nach dem Sprung unter die besten vier dieser EM und vor der Weiterreise nach Krakau musste der Berliner Anfragen abarbeiten. Jeder Nationalspieler hat seit Mittwochabend ein paar „beste Freunde“ mehr, die nach Karten für das Finalwochenende fragen.

Wiede wies die Wünsche jedoch mehrheitlich zurück, nur ein kleiner Kreis kommt in den Genuss, über den Mann versorgt zu werden, der eine Hauptrolle gegen die Dänen gespielt hatte. Im rechten Rückraum war Wiede ein Aktivposten, und nicht zufällig besiegelte er mit seinem Tor zum 25:23 den Sieg über den Favoriten. „Fabian trägt das Siegergen in sich“, sagt Bob Hanning anerkennend. Der heutige Vizepräsident des Deutschen Handballbundes hatte den Linkshänder als Jugendtrainer der Berliner Füchse entdeckt und ist nicht überrascht, mit welcher Coolness Wiede gegen die Dänen auftrumpfte: „Fabi ist so ein Typ, der zeigt nie Nerven und weiß, wie man gewinnt.“ In sieben Jahren bei den Füchsen sammelte Wiede insgesamt sieben Titel.

Der achte könnte am Samstag dazukommen, und die Chancen dafür stehen gut. Nicht weil der Gegner Norwegen heißt und nicht weil neben Dänemark mit Frankreich und Polen weitere Favoriten ausgeschieden sind. Die Chancen stehen gut, weil die Deutschen sehr schnell nach dem Feiern über den Sieg wieder in ihren „Tunnel“ zurückkehrten. „Natürlich wollen wir das Halbfinale gewinnen und danach das Endspiel“, sagte Wiede. Für die Handballnation ist das Erreichen des Halbfinales ein Erfolg, für die Spieler nicht.

Interessant wird das Duell gegen Norwegen heute Abend, denn die Skandinavier sind ­beinahe das Spiegelbild der Deutschen. Auch die Norweger haben viele junge und weit­gehend unbekannte Spieler im Team, verloren ebenfalls das erste Spiel bei diesem Turnier und erwischten anschließend eine Welle, die sie zu Siegen über Kroatien, Polen und Frankreich trug.

„Wir werden unserer Linie treu bleiben“, kündigte Dagur Sigurdsson an, und die von ihm trainierte deutsche Mannschaft sieht das auch so. „Wir haben noch zwei Spiele, und beide werden wir gewinnen“, sagte Andreas Wolff. Der Torhüter ist ein Sinnbild der deutschen Handballer bei dieser EM und wird immer mehr zum Sprachrohr. Der Mann, der im Sommer zum THW Kiel wechseln wird, hatte schon nach dem ersten Spiel der Hauptrunde gegen Slowenien verraten: „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass wir hier alles gewinnen.“

Die Suche nach Karten kam gestern auch noch zu einem zufriedenstellenden Ende. Zumindest für Erik Schmidt. Fünf Tickets benötigte der Kreisläufer der TSV Hannover-Burgdorf für Großeltern, Eltern und Freundin. „Das muss klappen“, sagte Schmidt, ehe er sich mit dem Teambus von Breslau Richtung Krakau aufmachte. Am Nachmittag gab es die Gewissheit, Teammanager Oliver Roggisch hatte die Wünsche erfüllt. Dann ging’s wieder in den „Tunnel“.