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Das optimierte Selbst & Donald Trump in der TalentshowAmerican Beauty

Bridge & Tunnel

von Ophelia Abeler

„I want to be my best self“, säuselt eine Mutter aus unserer Kita mir zu, sie erklärt mir nämlich gerade, warum sie zum Psychiater geht, und zu ihrem dreijährigen Sohn gewandt, der sich gerade den linken Schuh rechts anziehen will: „You’re not making good choices right now, Oliver!“

Es ist mal wieder so ein Moment, in dem ich denke, jetzt haben sie es geschafft. Ich drehe durch, sie treiben mich in den Wahnsinn, diese Amerikaner mit ihrem Amerikanisch, in dem sich das Amerikanischsein plakativer ausdrückt, als jede andere Nationalität es in ihrer Sprache für uns erkennbar tut.

Ich stehe da und übersetze in meinem Kopf, extra masochistisch: „Ich gehe mit derselben Haltung zum Psychiater wie zum Schönheitschirurgen, er soll das meiste aus mir rausholen! Oliver, du dreijähriger Nichtsnutz, ob rechter oder linker Schuh, ob Republikaner oder Demokraten, Mami macht dir vor, wie’s richtig geht!”

Ich schnappe oft Dinge auf, die Leute so sagen, altes Drehbuchschreiberhobby, und wenn man in ein anderes Land zieht, hört man ja besonders hin. Eine meiner Lieblingsgeschichten ereignete sich gleich in meiner ersten Woche hier, vor mehr als drei Jahren. Ich stand hinter zwei Frauen in einer Schlange, um mir einen dieser komplizierten Kaffees machen zu lassen (inzwischen bin ich längst dazu übergegangen, Americano zu trinken, das spart Zeit, Nerven und Geld).

Sagte die eine: „Gestern war ich beim McDonald’s Drive Thru, da sehe ich im Rückspiegel, wie der Typ im Auto hinter mir in der Nase bohrt und (angeekelt, schrill) SEINEN POPEL ISST!“ – Die andere machte einen Satz rückwärts und schrie, noch schriller, noch angeekelter: „DU ISST BEI MCDONALD’S???“

Faszinierend. Dabei hatte sie ja nicht unrecht, McDonald’s-Burger sind sicher um ein Vielfaches ungesünder als (die eigenen) Popel, aber die Enttäuschung der Freundin, die ihren Ekel vor etwas teilen wollte und nicht damit gerechnet hatte, zu dessen Objekt zu werden, war groß. „Judgmental” nennt man das hier und es ist Teil einer ziemlich ausgeprägten Kultur des Vorurteils.

Natürlich mache ich selber nichts anderes, wenn ich so über mein Gastland spreche, schlecht integriert nennt man das wohl, aber die meiste Zeit gehen mir die begeisterten Awesome-Ausrufe leicht über die Lippen und ich ertappe mich dabei, wie ich „have a good one“ sage, wenn ich ein Geschäft verlasse, auch wenn ich mich danach auf der Straße schütteln muss.

Aber es gibt eben diese Momente, zurzeit wegen des aggressiven Wahlkampfs gehäuft, wo man nur noch wie bei Asterix denken kann: Die spinnen, die Amerikaner.

Wenn Ted Cruz den Homosexuellen sagt, ISIS würde euch töten, und ihr macht euch hier in die Hosen wegen „gay rights“? und ein Zelt voller Menschen dazu applaudiert, ist so ein Moment.

Oder wenn eine Nachbarin, original italienischer Mob aus Staten Island, also Republikanerin, einen Satz anfängt mit „I like to think ...“ Auf diesen Satzanfang folgt in der Regel etwas Haarsträubendes, von dem man meinen würde, das kann sie nicht wirklich glauben, die Fakten sprechen dagegen und sie weiß das auch. Oder? Sie muss doch wissen, dass es nicht zu weniger Toten führen wird, Lehrer gegen Amokläufer zu bewaffnen.

Mir scheint, dass mit dieser Einleitung immer mehr Geschichte geschrieben wird hier; die persönliche, aber auch die politische. Aus „I like to think“, dem Gedankenspiel, wird „Ich glaube“, und über Glauben lässt sich nicht streiten. Meine Beobachtung der letzten Monate: Je rechter der Kandidat, desto extremer ist diese Art der Verdrehung – weder bei Ted Cruz noch bei Donald Trump ist Wahrheit ein Kriterium, wohl aber „die Lügen der anderen“.

Eine andere Nachbarin sagt, „I like to think that Trump can’t win“. Sie ist für Bernie Sanders und sie gebraucht die Formulierung noch im ursprünglichen Sinn von „ich hoffe“. Ihre Angst, es könnte furchtbar schiefgehen und Trump am Ende tatsächlich Präsident werden, ist proportional mit dem Weiterkommen eines absurd schlechten Sängers in der Talentshow „America’s got talent“ gewachsen. Zunächst wählte das Publikum ihn immer weiter, weil er in seiner Grottigkeit so unterhaltsam war, um dann erschrocken festzustellen, dass er ihre eigentlichen Lieblingskandidaten verdrängt hatte.

In einer ganz neuen TV-Show mit dem Titel „Chelsea does: ...“ probiert die Comedienne Chelsea Handler lauter Dinge aus, die nicht pc sind oder in den USA sogar verboten. Zum Beispiel „Chelsea does: racism“ oder „Chelsea does: drugs“.Da reist sie nach Peru, um Ayahuasca zu nehmen, eine psy­chotrope Substanz, von der bekannt ist, dass sie einem schnell alle Stereotype aus dem Kopf bläst.

„I want to be my best self“, sagt Handler nach der Erfahrung, die „mind-blowing“ war, und dass sich vieles ändern müsse.

I like to think so.

Ophelia Abeler ist Kulturkorrespondentin der taz in New York

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