Berlinmusik

Funpunk, no Stahlbad

Deutschpunk, Alta. Genau, das ist dieses Genre, das in der Vergangenheit schon so viele schwere musikalische Verbrechen hervorgebracht hat, unkaputtbar wie ein Patronengürtel. Die Musik des Berliner Trios Eastie Ro!s kann man auch als Deutschpunk oder gar als Funpunk bezeichnen, noch dazu haben die Musiker drei richtige Punkernamen, wie sich das gehört: Hässlon (Gitarre/Gesang), Mottenkönig (Bass) und Mykill (Drums). Jawollski. Das neue Album der Band trägt einen ebenso standesgemäßen Titel: „Scheisse kalt serviert“.

Man könnte also skeptisch sein und glauben, bei den Eastie Ro!s handle es sich um eine verzichtbare Autonome-Zentrums-Punkband. Glücklicherweise aber verfügen die drei Berliner Musiker zum einen über Witz und Selbstironie, sodass etwa Songs über die Verweigerungshaltung der eigenen Klientel („Ich schlaf aus“, „Keine Lust“) oder übers Abhängen („S-Bahn-Punks“) fast wie eine Parodie ihrer selbst klingen – oder diese zumindest mitdenken. Zum anderen scheinen sie von der Haltung her auch vom US-amerikanischen Punk à la Big Boys oder Descendents geprägt zu sein. Auch musikalisch ist somit in den 17 Songs mehr als der einst sehr verbreitete Uffta-Deutschpunk zu hören. Das auf dem von Brezel Göring betriebenen „Verboten in Deutschland“-Label erscheinende Album hat seine stärksten Momente eben dann, wenn die Eastie Ro!s sich über sich selbst oder die eigenen Szenen lustig machen („Rockertusse“, „Schiefe Bahn“). Merke: Funpunk muss kein Stahlbad sein.

Auf dem kürzlich erschienenen vierten Teil des Berlin-Songs-Samplers spielt Punk musikalisch keine so große Rolle. Andererseits wären tolle Künstler wie die Band Chuckamuck, die hier vom „Laden an der Ecke“ singt, oder Jakob Dobers, der die „Mutantenstadt“ bereist und sich via Songwritertum in allzu triste Siedlungen begibt, auch ohne Punk nicht denkbar. Musikalisch bewegt man sich auf dieser Kompilation, auf der ausschließlich Berliner Künstler und erfreulich viele Künstlerinnen vertreten sind, zwischen den Stilen Folk und Americana, zwischen Sixties und Wandergitarre.

Ein paar schon bekannte Nasen wie die Psychedelic-Popper Fenster oder die Songwritterinnen Christiane Rösinger („Berlin“ natürlich) oder Masha Qrella sind vertreten – und dann gibt es noch jede Menge Neues zu entdecken. Jens Uthoff

Eastie Ro!s – Scheisse kalt serviert, LP (Verboten in Deutschland) – eastierois.bandcamp.com

Various Artists – „Berlin Songs Vol. 4“; www.berlinsongs.com