Sorge um Suhrkamp

AUFRUF Bekannte Wissenschaftsautoren melden sich zu Wort

Die Unterzeichner erinnern an das kulturelle Vermächtnis, das die Gesellschafter in Händen halten

Im Streit der Gesellschafter des Suhrkamp Verlags haben sich gut 160 Wissenschaftsautoren des Hauses zu Wort gemeldet. Gestern veröffentlichten sie einen Appell mit dem Titel „Eigentum verpflichtet!“, in dem sie beide Seiten auffordern, einen Weg zur außergerichtlichen Einigung zu finden.

Die Unterzeichner des vom Frankfurter Sozialphilosophen Axel Honneth organisierten Aufrufs, darunter die Philosophen Judith Butler, Jürgen Habermas und Peter Sloterdijk oder der Soziologe Ulrich Beck, schreiben, sie seien „fassungslos angesichts der rechtlichen Vorgänge, die gegenwärtig den Fortbestand einer herausragenden Institution des literarischen Lebens, aber auch eines der weltweit renommiertesten Wissenschaftsverlage bedrohen“.

Gemeint ist der seit Jahren geführte Rechtsstreit zwischen der Suhrkamp-Verlegerin Ulla Unseld-Berkéwicz, die über die Familienstiftung 61 Prozent der Anteile am Verlag hält, und dem Minderheitsgesellschafter Hans Barlach. Anfang Dezember hatte das Berliner Landgericht in einem Verfahren die Geschäftsführung unter Unseld-Berkéwicz abberufen, im Februar wird in Frankfurt über Barlachs Antrag auf Auflösung des Verlags entschieden. „Es erfüllt uns mit großer Sorge, dass die Existenz des wichtigsten Forums für kritische Geistes- und Sozialwissenschaften in Deutschland vom Ausgang eines Rechtsstreits abhängig gemacht wird, in dem zwei Parteien ihre Konflikte mit Mitteln zu lösen versuchen, die dafür ungeeignet sind.“

Die beiden Parteien dürften „dieses einzigartige Gebilde nicht leichtfertig aufs Spiel setzen“. So erinnern die Unterzeichner an das kulturelle Vermächtnis, das die Gesellschafter in den Händen halten, und dessen Bedeutung für das intellektuelle Leben in Deutschland. Sie begrüßen ausdrücklich die Suche nach einem geeigneten Vermittler – der vom Verlag ins Spiel gebrachte ehemalige Kulturstaatsminister Michael Naumann war wegen einseitiger Parteinahme gegen Barlach von diesem abgelehnt worden.

In den Feuilletons hingegen dominierte zuletzt der Schlagabtausch zwischen F.A.Z.-Herausgeber Frank Schirrmacher und Welt-Redakteur Richard Kämmerlings um die Frage, ob Ulla Unseld-Berkéwicz die legitime Nachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, des früheren Suhrkamp-Verlegers Siegfried Unseld ist – ein betriebsinterner Streit, der stellenweise die Grenzen der sachlichen Auseinandersetzung weit hinter sich gelassen hatte. Der besorgte Brief der Wissenschaftler kommt daher zur rechten Zeit. TIM CASPAR BOEHME