LeserInnenbriefe
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Ein greifbarer Erfolg

betr.: „Darüber müssen wir reden“, taz vom 23. 1. 16

Mit Interesse las ich den Artikel zur Themenrelevanz. Gegen Ende beklagen Sie einen Schwarz-Weiß-Journalismus durch die Dramatisierungstendenzen von Social Media. Nur wenige Zeilen später scheinen Sie mir aber solch einer Schwarz-Weiß-Malerei zu erliegen: Das zeitweilige Schwimmbadverbot ist zwar eine grundsätzlich zweifelhafte Pauschalmaßnahme, wurde aber der Tätergruppe gut vermittelt und hat auch Erfolg gezeitigt. Ist nicht solch ein direktes Reagieren (auch am Rande der komplexen Rechtsstaatlichkeit) ganz wesentlich in einer spannenden Integrationsphase? Denn wo, wenn nicht im Schwimmbad, prallen verschiedene Kleider- und Rollennormen so sinnfällig aufeinander? Was für ein greifbarer Erfolg, wenn dieselben Männer, die zunächst gafften und mehr, nun wieder schwimmen und sich bewähren können. Ich hätte dem betreffenden Sozialdezernenten zu seiner Zivilcourage gratuliert, statt ihn in einen Topf mit hysterischen Hetzern zu werfen. REINHARD TIEMANN, Mainz

Eine realistische Einschätzung

betr.: „Eine Grenzschließung bringt nichts“, taz vom 22. 1. 16

Endlich mal eine realistische Einschätzung der derzeitigen Flüchtlingsproblematik, und wohltuend gegen all die Forderungen nach Obergrenzen, Grenzschließungen und angeblich sicheren Herkunftsstaaten.

Besonders bei den ständigen Forderungen nach „Sicherung der Außengrenzen“ wird nicht gesagt, wie das denn bewerkstelligt werden soll. Und solange das Kriegsgeschehen in Syrien weiter anhält mit Bombardierungen und Aushungern der Bevölkerung, der schlechten Versorgung grenznaher Flüchtlingslager, wird sich der Zustrom der Flüchtenden auch nicht reduzieren. Eine „Festung Europa“ lässt sich mit der Genfer Flüchtlingskonvention eben nicht vereinbaren.

Interessant ist der Hinweis von Herrn Kotzias, dass Marokkaner und Algerier ohne Visum in die Türkei einreisen können, um sich von dort auf den Weg nach Deutschland zu machen. Hier wäre tatsächlich ein Ansatzpunkt, mittels der Türkei die meist nicht Asylberechtigten fernzuhalten.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Radios zum Wegwerfen

betr.: „Radio Gaga“, taz vom 23. 1. 16

„Die Politik ist willfährig“? Sie folgt den Interessen der Programmanbieter? Fein, Ihrer Meinung nach sollte sie offensichtlich den Interessen der Industrie folgen. Wenn eine bewährte Technologie auf den Müll geworfen werden muss, will man nicht wegen Einführung des Digital Audio Broadcasting eine dauerhafte Sendepause („drei Stunden Sendepause“ auf der Durchreise durch die Schweiz) oder Versorgungskrise riskieren, dann dient das nur den Interessen der Industrie.

Ein in solider Qualität gebautes Radio kann ohne Probleme jahrzehntelang gut funktionieren. Jedes Gerät, das weniger gebaut wird, ist eines weniger auf dem Müllberg, ist eines, für dessen Erzeugung keine zusätzlichen Ressourcen verbraucht werden müssen. Jedes Altgerät, das tatsächlich einmal repariert werden muss, bietet dem regionalen Handwerk Beschäftigungsmöglichkeit. Ach so, es ist ja nur ein Radio, so was kauft man ja eh als Wegwerfartikel alle sechs Wochen neu, das Ding ist ja eh so was von 80er, dass das nichts mit dem Klimawandel oder so zu tun hat. JOACHIM KIESSLING, Landau

Genitalverstümmelung = Folter

betr.: „Beschneidungsgefahr kein Asylgrund“, taz vom 20. 1. 16

Das Straßburger Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist schwer nachzuvollziehen, wenn nicht gar skandalös. Einer Frau das Recht auf Asyl nicht zu gewähren, sei gerechtfertigt, da sie Beweise für die Fortsetzung für die in ihrem Heimatland (Guinea) begonnene Genitalverstümmelung den belgischen Behörden nicht oder nicht fristgerecht habe vorlegen können, muss als offene Diskriminierung gewertet werden. Die Schwere der Qualen und der Schmerzen sowie die irreparablen Folgen der Genitalverstümmelung sind gleichrangig einzuordnen mit Folter und deren Folgen. Keinem Folteropfer wird im Asylverfahren zugemutet, Beweise vorzulegen, dass er (das Opfer) bei Rückkehr in das Heimatland erneut gefoltert wird; als Asylgrund reicht die Androhung von Folter aus. Jedem Richter beim Europäischen Gerichtshof muss aus seinen Erfahrungen und der Praxis klar sein, dass dieser Frau mindestens die Fortsetzung und Vollendung der Genitalverstümmelung droht. Wegen der „Schmach“, die sie über den „Zwangsehemann“ und seine Verwandtschaft gebracht hat, hätten die Richter in Straßburg sogar die drohende Tötung bei ihrer Rückkehr annehmen müssen.

Dass eine drohende Genitalverstümmelung bis heute kein rechtsverbindlicher Asylgrund in allen europäischen Mitgliedsländern ist, ist ein Skandal und eine offene Diskriminierung der Frau sowie eine Herabsetzung der Frauen, denen Gewalt angedroht und zugefügt wird. Für jede Frau ist es schwer zu ertragen, dass die hier erwähnte Gewalt, die nicht selten mit dem Tod endet, völkerrechtlich nicht geächtet und verboten wird. Warum lässt sich in der Staatengemeinschaft keine Mehrheit finden, die ein Verbot der Genitalverstümmelung durchsetzt? Weil die Mehrzahl derer, die eine Entscheidung vorantreiben müssen, Männer sind? ILONA BÖHM-AHRENS, Bremen