Gemischte Tüte

Überraschung für alle: Am Schauspielhaus Bochum startete die schöne Reihe „Die Boten“

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Am Anfang kommt der Chef selbst auf die Bühne. Er trägt ein graues Hemd, dessen oberster Knopf geöffnet ist, eine schwarze Hose und dazu ein zufriedenes Lächeln. Dann beginnt er zu reden: Er erzählt, dass er vor einem Jahr bereits angefangen hat, Menschen einzuladen, die ihm nahe stehen, „Weggefährten“ nennt er sie. Und er sagt, dass sie nichts bekommen dafür, heute hier auf der Bühne zu stehen. Also: keine Gage. Bloß eine Anreise, ein warmes Abendessen, eine Übernachtung, ein Frühstück und eine Reise zurück.

Das ist auch schon alles, was man zum Konzept der neuen, „Die Boten“ genannten Reihe am Bochumer Schauspielhaus sagen muss. Bei den Menschen, den Schauspielern, Tänzern und Musikern, die am Sonntagabend die Bochumer Bühne betraten, handelt es sich fast ausschließlich um solche, die Elmar Goerdens künstlerischen Weg säumen. Oder noch säumen werden, wie zum Beispiel der Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, Steven Sloane. Nun, da Goerden Intendant in Bochum geworden ist, hat er sie eingeladen, mit ihm einen Abend zu bestreiten, an dessen Beginn niemand wusste, was ihn erwartet. Nicht einmal Goerden selbst. Hat er zumindest gesagt.

Einzige Voraussetzung: Die Boten sollten etwas zu sagen haben, sollten eine Boschaft mitbringen. Was dabei heraus kam und nach zwei Stunden vom Publikum mit starkem Applaus honoriert wurde, war eine gemischte Tüte verschiedener Genres, die auf der Bühne zu Hause sind. Steven Sloane las beispielsweise den gereimten Kinderbuch-Klassiker „Green Eggs and Ham“ von Dr. Seuss und kam später noch einmal zurück, um mit seiner Frau, der Bratschistin Tabea Zimmermann und dem Publikum das jüdische Volkslied „Yerushalayim shel zahav“ zu intonieren. Der 81-jährige Schauspieler Richard Beek vom Bayerischen Staatsschauspiel spielte Szenen aus dem Ein-Mann-Stück „Cherubium“, das Goerden mit ihm in München inszeniert hatte. Und der wunderbare Schauspieler Christoph Waltz dirigierte sich mittels Taktstock durch Ludwig Tiecks „Verkehrte Welt“, einer Sinphonie aus Worten.

Ein durchweg kurzweiliges Vergnügen war das, auch wenn man sich zuweilen wünschte, die insgesamt zwölf Boten würden nicht so an den Texten oder Noten kleben, die sie im Gepäck hatten, sondern eine ganz eigene Botschaft überbringen. Eines aber ist gewiss: Mit den „Boten“ reduziert Goerden das Theater auf seine elementarsten Bestandteile. So kam der Abend, bis auf eine dezente Ausnahme, komplett ohne Bühnenbild aus. Dummerweise ist Goerdens Vorgänger, Matthias Hartmann, derartiges nicht in den Sinn gekommen. Sonst würde womöglich noch Harald Schmidt, den Hartmann als Lucky in Becketts „Warten auf Godot“ nach Bochum holte, auf der Bühne stehen. Bekanntlich kann keiner besser eine von Kulissen entblößte Bühne mit Anekdoten füllen als er.

Aber auch so, ohne Schmidt, ist die Reihe vielversprechend. Noch vor Weihnachten sollen die nächsten Boten, die in unregelmäßigen Abständen nach Bochum reiten, am Schauspielhaus aufkreuzen. Wen Goerden eingeladen hat, wurde schon kolportiert. Und da sind, ähnlich wie bei Hartmann, der sich immer wieder mit großen Namen zu schmücken versuchte, bekannte Menschen dabei: Bruno Ganz zum Beispiel, der hoffentlich nicht den geifernden Hitler aus „Der Untergang“ geben wird, die Schauspielerin Julia Jentsch oder Hannelore Hoger. Kein Wunder, dass Goerden zufrieden lächelte. Nun müssen bloß noch mehr Zuschauer kommen. Vielleicht sollte man mal Boten aussenden, die vom ersten Abend erzählen.

Die Boten, Schauspielhaus BochumInfos: 0234-3333111