„Das hat mit Leitkultur nichts zu tun“

Die NRW-Landesregierung hat gestern ein Kopftuchverbot an Schulen beschlossen. FDP-Fraktionsvorsitzender Papke erklärt, warum das Verbot nicht für christliche und jüdische Symbole gelten soll und warum Multikulti gescheitert ist

taz: Herr Papke, Ihre Fraktion hat gerade den Gesetzesentwurf zum Kopftuchverbot abgesegnet. Gab es Gegenstimmen?

Gerhard Papke: Nein, wir haben uns über das Gesetz mit der CDU bereits vorher verständigt, unsere Fraktion hat es einstimmig beschlossen.

Wäre es nicht die Rolle einer liberalen Partei, den Leitkulturgedanken der CDU zu hinterfragen? Schließlich sollen religiöse Symbole wie die christliche Ordenstracht nicht aus der Schule verbannt werden.

Wir haben nicht über einen Gesetzesentwurf zur Leitkultur abgestimmt. Wir wollen mit dem Gesetz verhindern, dass fundamentalistische Haltungen an unseren Schulen Einzug halten. Haltungen, die sich gegen Werte richten wie individuelle Freiheit und Gleichberechtigung. Um diese politische Dimension geht es, und in keinster Weise um die Bewertung von Religionen oder Glaubenswahrheiten.

Anfang September hat Ihr bildungspolitischer Sprecher Ralf Witzel noch gesagt, er schließe nicht aus, dass das Verbot auf andere Religionen ausgeweitet wird. Warum jetzt die Anpassung an die CDU?

Es gibt keine Anpassung an die CDU, es gibt einen gemeinsamen Gesetzesentwurf. Mit diesem knüpfen wir an die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts an. Das hat festgestellt, dass das Kopftuch als politisches Symbol gesehen werden kann, das die Abgrenzung zu Freiheitswerten ausdrückt.

Reicht nicht der Schwur auf die Verfassung, den jeder Beamtenanwärter leisten muss, als Bekenntnis zu den Grundwerten des Staates?

Wir sind überzeugt, dass Lehrern und Lehrerinnen eine besondere Vorbildfunktion zukommt und dass ein Kopftuchverbot notwendig ist. Das betrifft nicht nur die wenigen Fälle kopftuchtragenden Lehrerinnen, die derzeit unterrichten. Wenn es in Zukunft an den Schulen zu einem Dissens kommen sollte, wie in Baden-Württemberg, wollen wir darauf vorbereitet sein. Außerdem betrachten wir als Freie Demokraten das Gesetz als Auftakt für eine neue Diskussion über Parallelgesellschaften in NRW. Wir glauben, dass der Multikulturalismus, wie er vor allem von den Grünen vertreten wurde, ein Irrweg war. Stichworte wie Ehrenmorde oder Zwangsverheiratung sind Ausdruck einer gescheiterten Integrationspolitik, die nichts mit Toleranz und Vielfalt zu tun hat.

Es gibt nicht viele Lehrerinnen, aber eine steigende Zahl an Lehramtsanwärterinnen mit Kopftuch. Werden sie es wohl jetzt ablegen?

Diese Entscheidung muss jede junge Frau selbst treffen. Ich glaube es ist gut, wenn von vorne herein die Bedingungen klar sind. Ich würde mir sehr wünschen, dass sie unser Gesetz akzeptieren.

Aber sie fühlen sich diskriminiert, weil christliche und jüdische Symbole nicht verboten werden.

Die Ausnahmeregelungen für christliche und jüdische Symbole sind nicht religiös begründet. Sie sind laut Bundesverfassungsgericht und Bundesverwaltungsgericht zulässig, weil sie Ausdruck unserer Bildungs- und Kulturtradition sind. Zu deren Werten gerade auch Toleranz und Offenheit gegenüber allen Religionen gehören. Keine Muslimin muss sich hier diskriminiert fühlen. Mein Eindruck ist, dass fast alle Muslime in Nordrhein-Westfalen unsere Haltung nachvollziehen können.

INTERVIEW: N. WIESMANN