Auch beim Wind Verwehungen in Union

Die CDU-geführten Länder NRW und Schleswig-Holstein im Clinch: Der Norden fürchtet um Jobs, wenn sich Ministerpräsident Rüttgers mit seiner Forderung nach weniger Windrädern durchsetzt. Niedersachsen wartet ab

Streit um Ministeriumszuschnitte, Querelen um vernachlässigte Bundesländer – jetzt muss Noch-Nicht-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch noch Krach zwischen ihren CDU-Ministerpräsidenten aushalten, der die Koalitionsgespräche in Berlin weiter belasten dürfte. „Nein. Meine Position zur Windenergie ist bekannt. Die Windenergie-Entwicklung in Deutschland ist mit dem Namen Carstensen verbunden“, erklärte der CDU-Politiker und heutige Ministerpräsident Peter Harry Carstensen einst im taz-Interview vor der Landtagswahl.

Offenbar nicht bekannt oder – schlimmer noch – schnuppe ist diese Haltung Carstens Parteifreund und Amtskollegen, dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Der nämlich will im Bundesrat fordern, den Bau von neuen Windrädern „massiv einzuschränken“ – und hat sich gleich Gegenwind von der Küste eingehandelt: „Wir lehnen den Vorstoß ab“, kündigte der schleswig-holsteinische Wirtschaftsminister Dietrich Austermann, ebenfalls CDU, in einem Interview an.

Austermann und Landesvater Carstensen treiben dabei mehr als nostalgische Gefühle um: An Schleswig-Holsteins Westküste, gerade in Husum, siedeln mehrere große Hersteller der Anlagen. Die Storm-Stadt, sonst eher beschaulich, veranstaltet einmal im Jahr die größte Windkraft-Messe der Welt – die Spargel-Technik sorgt für Arbeitsplätze in der strukturschwachen Region und bringt Geld in die Kassen. Auch im Koalitionsvertrag hat sich die Landesregierung zum Energiemix und der Entwicklung der Windenergie „mit Augenmaß“ verpflichtet.

Der Vorschlag aus NRW würde dieser immer noch wachsenden Industrie den Strom abdrehen. Die Rüttgers-Truppe begründet ihren Gesetzentwurf mit den „weithin sichtbaren Störeffekten“ für das Landschaftsbild, zu viele Spargel beeinträchtigten „die Erholungsfunktion der Landschaft“. Er soll Anfang November im Bundesrat behandelt werden und dürfte auch Gegenstand der laufenden Koalitionsverhandlungen werden.

„Für eine Verspargelung der Landschaft ist auch die Landesregierung in Niedersachsen nicht“, sagt Jutta Kremer-Heye, Sprecherin des von Hans-Heinrich Sander (FDP) geführten Umweltministeriums in Hannover. Aber Niedersachsen könnte, genau wie Schleswig-Holstein, Offshore-Anlagen vor den Küsten aufstellen oder alte Windräder durch modernere ersetzen. Schon heute ist die Windenergie im Land ein „beachtlicher Wirtschaftsfaktor“, so Sprecherin Kremer-Heye. Wie sich Niedersachsen verhalten werde, könne sie noch nicht sagen: „Wir prüfen das zurzeit.“ Wie lange diese Prüfung dauere, könne sie derzeit nicht sagen. Denn mehrere Ministerien müssten sich mit der Frage beschäftigen. Vielleicht kommt Niedersachsen geschickt um die Antwort herum: Bevor sich die CDU-geführten Länder in aller Öffentlichkeit weiter streiten, könnte NRW seine noch nicht gestartete Initiative gleich in den Wind blasen. Alles bliebe, wie es ist. Für Niedersachsen die bequemste Lösung? „Naja“, sagt Sprecherin Kremer-Heye. Auch eine Antwort. Esther Geißlinger