Böse Geräte

In ihrem Erzählband „Amok Anrufbeantworter“ bündelt Daniela Böhle lakonisch-kluge Alltagsbeobachtungen

Lesebühnenliteratur kann inzwischen ja als eigenes Genre gelten, ihr Sujet ist der wunderbare Alltag der Autoren, die mit minimalem Formulierwillen und ein wenig Witz fast alles zum Thema machen. Nicht selten tappen die Lesebühnenautoren dabei allerdings in die Comedy-Falle, ihre Sach- und Lachgeschichten sind viel zu oft Fick- und Saufgeschichten, und das ganze Genre leidet an Männerüberschuss.

Im Vorwort zu Daniela Böhles Erzählband „Der Amok-Anrufbeantworter“ schildert Wladimir Kaminer die Anfänge der Lesebühnen, als sich Autoren um die 30 im Kaffee Burger trafen, Berliner Pilsener tranken und „Geschichten über ihre harte Jugend in der DDR, über Fußball und die soziale Ungerechtigkeit“ vorlasen. Durch Daniela Böhles Eintritt, so Kaminer, hätte diese Männergemeinschaft an Umgangsformen und Substanz gewonnen.

Daniela Böhle kam 1999 von Köln nach Berlin und war bald in der „Reformbühne Heim und Welt“ tätig. Auch ihre Geschichten handeln von dem, was man so Alltag nennt: vom Supermarkt, Waschsalon, von verwunschenen Buslinien und Kohlmeisen auf dem Balkon. Ihr Alltag ist aber etwas vielschichtiger als der „Crazy Berlin“-Alltag der Dreißigjährigen vom Prenzlauer Berg. In „Emanzipatorische Erziehung“ etwa stößt die moderne Mutter in den Lieblingsbüchern der eigenen Kindheit ständig auf Geschlechterklischees und versucht vergeblich, den Text während des Vorlesens noch zu „gendern“, ohne dass der Sohn misstrauisch wird.

Bei Daniela Böhle können die Dinge, wie im Märchen, ein Eigenleben führen. Ein Anrufbeantworter nimmt einen Job im Callcenter an, ein bockiger Drucker wird bestraft. Denn die Tyrannei der Moderne ist ihr Hauptthema: böse Haushaltsgeräte, der Hauptfeind Telekom, die unerwünschte T-net-Box, Erlebnisse mit der Postbank, Automatenstimmen, die fünfstellige Geheimzahlen fordern und die Anruferin in einer Zeitschleife gefangen halten.

In dieser klaustrophobischen Moderne wird man telefonisch von Meinungsforschungsinstituten und von Instituten zur Überwachung von Meinungsforschungsinstituten belästigt. Man kann aber auch auf wundersame Weise Inhaberin eines historischen Wertpapiers werden. So vermag die lakonisch-kluge Erzählerin in ihren Geschichten immer wieder zu überraschen und zu rühren und wird so zum Glücksfall für das ganze Genre.

CHRISTIANE RÖSINGER

Daniela Böhle: „Amok Anrufbeantworter“. Satyr Verlag 2005, 197 S., 12,90 €