Ziggy Stardust, schaffte in den 80ern eine dritte Karriere als discoider Soulboy, mutierte in den 90ern zum Drum-’n’-Bass-Ungetüm und in den 10ern zur museumsgerechten Multi-Ikone

Bowie und ich

Individualikone Alles sträubt sich dagegen, über ihn in der Vergangenheitsform zu schreiben

BERLINtaz| Das erste Lied, dass ich von ihm hörte, war „the ­laughing gnome“. Ich war damals wohl zehn Jahre alt und lag mit Magendarmgrippe im Bett. Das letzte Lied war „Lazarus“ von seiner neuen Platte „Blackstar“.

Am vergangenen Samstag sprachen wir noch über Geheimbotschaften in dem Lazarus-Video. Der britische Komiker Jimmy Fallon hatte herausgefunden, dass auf einem der Zettel, die Bowie gegen Ende des Videos manisch beschreibt, „Help me“ steht. Erst kam es mir so vor, als hätte sich der Komiker das ausgedacht; nach der Nachricht von Bowies Tod bin ich mir nicht mehr so sicher.

Wir waren auf der Geburtstagsparty, den der David-Bowie-­Fanclub seit zwölf Jahren im Berliner „Neuen Ufer“ (früher „Anderes Ufer“) feiert. Das Publikum war superangenehm, überhaupt nicht arrogant wie einige Bowie-Mode-Fans in den 80er Jahren, die mit ihren Modezeitungen herumwedelten. Die meisten zwischen 40 und 50, Jüngere waren auch dabei. Wir sangen wieder Karaoke: „Life on Mars?“, „Drive-in Saturday“ und „Under Pressure“. Die ersten beiden Lieder sind meine Lieblingslieder von Bowie.

1982 war ich zum ersten Mal im „Anderen Ufer“. Eine Freundin, die an der Hochschule der Künste studierte, erzählte, wie Bowie die HdK besucht hatte und dass alles eigentlich ein bisschen peinlich gewesen wäre. Ich dachte an die Zeit, als wir als Teenager in meinem Zimmer herumsaßen und zu den getragenen Stücken von „Low“, „War­szawa“, „Art Decade“ kifften und Tee tranken. Ein Freund hatte sich das Leben genommen. Bowie war Musik für gefährdete Jugendliche. Das Leben schien kurz: „We got five years / my brains hurts a lot / Five years /that’s what we got“.

Im Sommer 1983 war ich auf drei Konzerten der unterschätzten Serious-Moonlight-Tournee. Zwei in Bad Segeberg, eins in Berlin. Erst bei irgendeiner Loveparade in den 90ern habe ich mich wieder so wohl unter vielen Menschen gefühlt wie bei dem Berliner Konzert der Serious-Moonlight-Tour.

Every alien’s favourite cousin

So verging die Zeit. Das Berliner Konzert der Glass-Spider-Tour 1987 vor dem Brandenburger Tor, das so wichtig für die DDR-Opposition sein sollte, kam mir schrecklich überladen vor. Die aufgeblasene Präsentation von „Outside“, 1996, hab ich in schlechter Erinnerung. Die Beziehung zu Bowie war wie die zu einem potenziell besten Freund? Älteren Bruder? Onkel? – „every alien’s favourite cousin“ hatte ihn Tilda Swinton in ihrer großartigen Rede zur Eröffnung der Bowie-Ausstellung in London genannt. Detlef Kuhlbrodt