Fahrt nach Ljubljana

Die Ebene ist nicht wirklich flach, immer wieder von Hügelketten durchzogen. Auf einer Kuppe etwas abseits der Straße eine Burg, ganz weiß, mit verwaschen roten Ziegeldächern und dicken runden Türmen. Es heißt, die größte Psychiatrie des Landes sei darin untergebracht. Seltener als in Österreich, ungepflegter auch, aber doch unübersehbar die kleinen Kapellen und Kreuze am Straßenrand. Wenn Menschen wesentlich durch die Landschaft ihrer Kindheit geprägt werden, stellt man sich unweigerlich vor, dass hier Generationen von Sanftmütigen aufgezogen wurden. Kein harter Fels verstellt den Blick, keine ewige Weite langweilt ihn. Guter Standort für eine Psychiatrie. Waldorflandschaft. Andererseits wird auch glaubhaft, dass die Paarung dieser optischen Schmeichelei mit der Harmoniediktatur Tito’scher Prägung in einigen Menschen den Willen zu Distanz, Dissonanz oder gar Rebellion befeuert haben mag. Die Kollektive der Neuen Slowenischen Kunst haben seit Mitte der 80er-Jahre der klebrigen Euphonie konsequent den einen oder anderen kräftigen Tritt in den Arsch gegeben. Die maßlose Übersteigerung totalitärer und nationalistischer (bis hin zu faschistischer) Symbolik wurde dabei nicht selten missverstanden, von Kritikern wie Apologeten gleichermaßen. Dabei könnte bei kontextbezogener Betrachtung nichts offensichtlicher sein als die Tatsache, dass das Malerkollektiv IRWIN keine Brekers sind und Laibach nicht Rammstein. Das Amalgam aus popkulturellen Zitaten, historisch eher fragwürdig besetzter Zeichen und aktueller politischer Bezüge macht vor allem eines deutlich: dass die Vergangenheit nicht vorbei ist und es keiner großen Anstrengung bedarf, ihre Dämonen sichtbar zu machen. Schwierigkeiten bereitet dieser Tage vielleicht die Allgegenwart dieser Dämonen. Ab einer bestimmten Stufe der Unmittelbarkeit und Penetranz ihres Auftretens wird die ironische Brechung zur hohlen Geste. Ist aggressiver Nationalismus erst zur Staatsräson erhoben, lässt er sich nicht mehr als unterschwellig präsent enttarnen. Waren viele der frühen Stücke auf Laibachs Best-of-Album „Anthems“ zur Zeit ihrer Entstehung noch provokante Exegese des herrschenden (Zeit-)Geistes, wirken sie heute wie ein schwaches Spiegelbild der obwaltenden Populärkultur. Was damals die Grenze des politisch und künstlerisch Vertretbaren markierte, ist heute konsenstauglich und damit des kritischen Potenzials beraubt. Das Werk ist sicher häufig klüger als der Künstler, die Rezipienten sind es eher selten. Die finden es bruchlos schön, wenn Arno Breker und Rammstein in der lieblich hügeligen Landschaft stehen. Laibach aber ist gewiss nicht schuld daran. DANIÉL KRETSCHMAR