Feindkontakt Aus der Kriegsgefangenschaft wurden zwei norddeutsche Fußballer Profis in England, Werder holte einen Jugoslawen aus einem Lager
: Vom Deutschen zum Helden

Mai 1957: Bernd („Bert“) Trautmann von Manchester City sitzt bei einem Freundschaftsspiel gegen den FSV Frankfurt im Frankfurter Waldstadion an einem Pfosten und schaut den Aktionen im Feld zu Foto:  Foto: dpa

von Jens R. Prüß

Zwei norddeutsche Fußballer wurden in den Jahren nach 1945 Profis in Großbritannien: Der Bremer Torwart Bernd Trautmann, in England „Bert“ genannt, und der Hamburger Alois Eisenträger, in England und Wales „Alec“.

Trautmann, der im Bremer Arbeiterviertel Walle geborene Torwart, wurde bei Manchester City anfangs misstrauisch betrachtet. 20.000 Menschen sollen gegen die Verpflichtung eines deutschen Fallschirmjägers demonstriert haben. Der Rabbiner von Manchester, Alexander Altmann, der selbst von den Nazis aus Deutschland vertrieben worden war, bat die Bürger der Stadt in einem offenen Brief, unvoreingenommen mit Trautmann umzugehen. Der wurde schließlich zum gefeierten Star. 1956 gewann er mit diesem Manchester City den Englischen Cup durch ein 3:1 gegen Birmingham City. Endgültig zur Legende wurde er, als sich herausstellte, dass er die Schlussviertelstunde mit einem gebrochenen Halswirbel durchgestanden hatte. Sechs Wochen vorher hatte man ihn zu Englands Fußballer des Jahres gewählt.

Trautmann galt als einer der weltweit besten Torwarte seiner Zeit. Deutscher Nationalspieler wurde er dennoch nie, weil Bundestrainer Sepp Herberger sich weigerte, sogenannte „Legionäre“ einzusetzen. In seiner neuen Heimat dagegen wurde Trautmann von der Queen für Verdienste um die britisch-deutsche Verständigung mit dem „Order of the British Empire“ ausgezeichnet. Sein Ligarekord umfasst 508 Spiele. Trautmann ist 2013 89-jährig gestorben.

Eisenträger, dem die Umlaut-Punkte bald verloren gingen, stammte aus Hamburg und verbrachte den größten Teil seiner Spielerkarriere bei Bristol City, einem vergleichsweise bescheidenen Verein der 3., dann 2. Liga. Noch vor Trautmann wurde er 1949 zum ersten deutschen Profispieler im Mutterland des Fußballs, dem vorübergehenden Feindesland Großbritannien. Zum ersten nach 1945, wohlgemerkt, denn schon in der Kaiserzeit hatte es einen Ligaspieler Max Seeburg gegeben, der noch in Reading lebte und die Aktivitäten seiner Nachfolger mit Interesse verfolgte.

Trautmann galt als einer der weltweit besten Torwarte seiner Zeit. Deutscher Nationalspieler wurde er dennoch nie, weil Bundestrainer Sepp Herberger sich weigerte, sogenannte „Legionäre“ einzusetzen

Dass zwei Sportler aus dem Lande Hitlers in England bald integriert und bei den Fans beliebt waren, mag auch damit zusammengehangen haben, dass beide als Kriegsgefangene nach England gelangt, dann aus eigenem Entschluss geblieben waren. Sie verhielten sich bescheiden und angepasst, überzeugten mit Leistung, und gründeten britisch-deutsche Familien. Eisenträger, Jahrgang 1927, war zudem kaum dem Jugendalter entwachsen, als er in Gefangenschaft geriet.

Trautmann, äußerlich voll dem Klischeebild eines nordischen Recken entsprechend, war vier Jahre älter und wurde anfangs durchaus angefeindet; seine Karriere, so formuliert es Nick Harris in „England, Their England“, war außerdem „littered with personal traumas and tragedy“. Letztlich habe der Torwart den Maßstab für ausländische Fußballer in England gesetzt: „Solange du gut spielst, schert es niemanden, woher du kommst. Wenn nicht, oder wenn du dich daneben benimmst, bist du ein lousy foreigner.“

Gleiches galt offenbar in Trautmanns Heimat Bremen: Werder hatte seinen eigenen, infolge der Kriegsereignisse in einem Lager für Displaced Persons gestrandeten Torwart, der zeitlich ungefähr parallel mit Trautmann an der Weser Karriere machte. Den „Jugo“, so sagte man damals, Dragomir Ilić, hatte man 1948 im ostholsteinischen Großenbrode entdeckt und schon bald musste man ihn mit Geld (wahrscheinlich) und guten Worten (bestimmt) gegen Abwerbungsversuche aus dem Saargebiet verteidigen. Dort nämlich durfte schon deutlich mehr gezahlt werden. Bis 1961 war Ilić dann Vertrags-Keeper in Bremen, machte 311 Oberliga­spiele und wurde als Oldie sogar noch für einige Bundesligaeinsätze reaktiviert.

Warum blieben Trautmann und Eisenträger dauerhaft in England beziehungsweise Wales, wo Eisenträger noch das Trikot des schwer auszusprechenden Merthyr Tydfil FC trug? Der berufsbezogene Teil der Frage beantwortete sich selbst, denn Profifußball gab es in Deutschland noch nicht. Es gibt ihn sehr viel weniger lange als in Nachbarländern wie Österreich, der damaligen Tschechoslowakei, auch der Schweiz und Frankreich, ganz zu schweigen von den Britischen Inseln.

Alois Eisenträger   Foto: Archiv

Selbst als der soeben wieder auferstandene DFB 1949 das Vertragsspielerstatut verabschiedete, blieben die zugelassenen Vergütungen und Ablösesummen noch lange streng gedeckelt. Wer mit dem Fußball etwas Geld verdienen wollte, musste eine zivile Berufstätigkeit oder -ausbildung nachweisen, durfte also kein Nur-Fußballer sein. Wer mit dem Fußball richtig Geld verdienen wollte, musste auswandern.

Eisenträger ist in Großbritannien nach eigener Auskunft kaum angefeindet, „höchstens mal veräppelt“ worden. Der junge Mann, der beim HSV in der Jugend und gelegentlich schon mal Reserve gespielt hatte, diente sich über zwei Nichtligavereine hoch zu Bristol City; die „Robins“ wurden bis 1958 seine Heimat.

Angebote aus Deutschland, wo er mit seiner Mannschaft mehrfach gastiert hatte, schlug „Alec“ aus; auch eines vom HSV war dabei, der allerdings „für den eigenen Spieler“ keine Ablöse zahlen wollte. Eisenträger verdiente drüben genug, wurde endgültig in der Nähe von Bristol sesshaft und ist im Oktober 2014 in die Hall of Fame des Vereins aufgenommen worden.