Feuerwehr gegen die Vogelgrippe

Wer sucht, der findet: Tote Gänse und Enten schüren in Deutschland die Angst vor der Vogelseuche. Nie zuvor erregten Kadaver so viel Aufmerksamkeit wie derzeit. Das Risiko für Menschen ist gering. Behörden warnen vor Abzocke und Panikmache

VON HANNA GERSMANN

Großeinsatz in Deutschland: Feuerwehrleute in Schutzanzügen zogen gestern zehn tote Vögel aus einem Teich im rheinland-pfälzischen Neuwied. Am Abend zuvor hatten sie aus einem Weiher nebenan schon 25 tote Graugänse und Stockenten geborgen. Dann untersuchten zwanzig Tierärzte die Kadaver einen ganzen Tag lang auf den gefährlichen Erreger H5N1. Auch in Niedersachsen wurden vier tote Wildvögel gefunden.

Gewissheit, ob es sich um die Vogelgrippe handelt, gebe es erst „in einigen Tagen“, erklärte Stefanie Mittenzwei, Sprecherin des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums. Die Untersuchungen, um ein Virus zu bestimmen, seien sehr aufwändig. Sollte sich der Verdacht bestätigen, will Verbraucherminister Jürgen Trittin (Grüne) jedenfalls „entschlossene Gegenmaßnahmen“ ergreifen. Ein nationaler Krisenstab müsste dann zum Beispiel entscheiden, ob Geflügelbauern ihr Federvieh töten müssten.

Noch nie bekamen tote Vögel so viel Aufmerksamkeit wie zurzeit. Hendrik Brunckhorst vom Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer kann die Aufregung nicht ganz verstehen. Schon „seit der Steinzeit erkranken Vögel an der Grippe“, sagt er. Sonst falle nur niemandem eine verendete Stockente auf. Die meisten verkröchen sich im Schilf, kurz bevor sie sterben. In diesen Tagen ist alles anders.

Die Berliner Boulevardzeitung BZ widmete sich bereits der Frage, ob Kinder überhaupt noch in den großen Parks spielen dürfen. Auf den Teichen in den städtischen Grünanlagen tummeln sich die Wildvögel. So mancher fürchtet, sie könnten auch infiziert sein.

EU-Verbraucherkommissar Markos Kyprianous aber mahnt, „nicht bei jedem toten Vogel in Panik zu geraten“. Auch Pressesprecherin Mittenzwei gibt Entwarnung – und hat zwei Tipps: „Den Kot eines Schwans nicht in die Hand nehmen!“ Und: „Das Tier nicht knutschen!“

Bislang ist die Vogelgrippe eine Tierseuche. Deshalb sperren Bauern ihr Geflügel in den Stall und Hamburg seine Alsterschwäne in eine Halle. Fernand Sauer, Sprecher der Weltgesundheitsorganisation, betont denn auch: „Derzeit haben Tiermediziner mit einer akuten Notsituation zu tun“ – und nicht die Humanmediziner.

In Asien sind bisher gut 60 Menschen an der Vogelgrippe gestorben. Die Seuche grassiert dort seit 2003. Gestern wurde wieder ein neuer Fall bekannt. In der östlichen Provinz Anhui sind 2.100 Gänse infiziert. Eine potenzielle Gefahr für den Menschen durch H5N1 gibt es dennoch, weil das Virus äußerst aggressiv ist. Wissenschaftler befürchten, dass es sich eines Tages so an den Menschen anpasst, dass diese sich gegenseitig anstecken. Die Ausbreitung lasse sich dann nicht mehr verhindern, glaubt der Virologe Christian Drosten vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut.

Der Entdecker des Sars-Virus prognostiziert: „Die Menschen werden zu spät ins Krankenhaus gehen.“ Bei einer Grippe fühle sich der Patient erst Tage nach der Infektion fiebrig. Bis dahin „ist das Virus schon zum Nächsten gesprungen“. Die Grippe sei anders als Sars „nur schwer zu stoppen“.

Ein Mittel gegen die Vogelgrippe suchen die Experten noch. Das Medikament Tamiflu könnte sie beim Menschen zumindest lindern, so die Weltgesundheitsorganisation. Die Arznei soll innerhalb von 48 Stunden nach Auftreten der ersten Symptome eingenommen werden. Allerdings mahnten gestern die US-Gesundheitsbehörden: Mittlerweile seien die ersten Fälschungen auf dem Markt.

Das Verbraucherministerium warnte gar vor „dreister Abzocke“. Es meinte damit Infos zur Vogelgrippe, die mittlerweile per Faxabruf oder SMS angeboten werden – für 2,99 Euro.