Nur noch Kummer im Thüringer Wald

Wintersport I Bei den deutschen Biathletinnen verliert der Standort Oberhof an Attraktivität

Ruhpolding mit seinem Ableger ­Garmisch ist nun prall gefüllt mit Top-Skijägerinnen

RUHPOLDING taz | Ihre Sehnsucht nach einem richtigem Winter verhehlt Franziska Hildebrand nicht. „Hach“, seufzt die 28-Jährige nach ihrer Trainingseinheit in Ruhpolding, „irgendwann lagen hier mal zehn Zentimeter Schnee, aber die sind ziemlich rasch links und rechts von einem weggetaut.“ Am Freitag startet in ihrer Wahlheimat die Ersatzveranstaltung für den abgesagten Weltcup in Oberhof, und die Aussichten für Freunde der Kälte sind weiterhin mau. Doch jenseits fehlender Flocken ist Hildebrand hochzufrieden mit ihrem Umzug in die Chiemgauer Alpen.

Sieben Jahre liegt der nun zurück, vorher trainierte die Skijägerin aus Köthen in Sachsen-Anhalt zweieinhalb Jahre in Oberhof. Anfangs unter dem heutigen Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig, später kam kurzzeitig Juniorencoach Peter Sendel, Staffel-Olympiasieger von 1998, hinzu. Richtig voran kam Hildebrand mit beiden nicht, heute sagt sie klipp und klar: „In Ruhpolding lief das vom Training her schon anders ab.“

Das ganze Tagesgeschäft sei dort „doch etwas anderes“, erzählt die Staffel-Weltmeisterin von 2015. So sei es in Oberhof „eher schwierig“ gewesen, Studium und Leistungssport miteinander zu verbinden. Hildebrand, deren Training in Ruhpolding Rüdiger Schöllmann koordiniert, kennt also beide Bundesstützpunkte der Biathleten. Ihre bajuwarischen Teamkolleginnen Franziska Preuß, Laura Dahlmeier, Miriam Gössner und Vanessa Hinz dagegen sind qua Geburt im Süden der Republik verwurzelt.

Ruhpolding mit seinem Ableger Garmisch ist also prall gefüllt mit Top-Skijägerinnen. Bei Frauenchef Hönig in Oberhof trimmt sich derweil nur noch Luise Kummer, die beim Freitag-Sprint den Startplatz der leicht angeschlagenen Franziska Preuß übernimmt. Für Kummer, in diesem Winter krankheitsbedingt ins Hintertreffen geraten, ist es der erste Weltcup-Start der Saison. Schlaflose Nächte hat Karin Orgeldinger wegen der aktuell extremen Schieflage zwischen den Leistungszentren Ruhpolding und Oberhof im Frauenbereich allerdings nicht.

Die Sportdirektorin für die nordischen Disziplinen und Biathlon verweist auf die ausgeglichene Standort-Besetzung bei den männlichen Skijägern – und setzt auf die heilsame Wirkung der Zeit. „Das ist eine normale Entwicklung, solche Verschiebungen wird es immer wieder mal geben. Der DSV weiß, was Oberhof leistet.“

Franziska Hildebrand ist vor allem durch ihre in den letzten Jahren verbesserte Lauftechnik zur momentan erfolgreichsten Deutschen im Gesamtweltcup geworden. „Man braucht einfach jemanden, der sich damit wirklich intensiv auseinandersetzt, der Verbesserungsvorschläge macht – und einen im täglichen Training auch immer wieder daran erinnert. Alleine kriegt man das nicht hin“, berichtet sie von ihren positiven Erfahrungen in Ruhpolding.

Der DSV hat reagiert. Um die Ausbildung zu optimieren, gibt es in Oberhof nun eine intensive Kooperation zwischen Langlauf und Biathlon. Seit Herbst 2015 ist der frühere Langlauf-Nationaltrainer Cuno Schreyl mit einem Projekt betraut, das übergeordnet auf die Laufausbildung in der Nordischen Kombination, bei den Spezialisten und im Biathlon fokussiert ist. Zudem setzt der DSV auf verbesserte Möglichkeiten für Nachwuchsbiathleten am Sportgymnasium in Oberhof. Sportdirektorin Orgeldinger prognostiziert: „Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch in Oberhof wieder eine größere Anzahl an Athleten herausbildet.“Andreas Morbach