HAMBURGER SZENE VON KAIJA KUTTER
: Unter Grauhaarigen

Was schenkt man Eltern zu Weihnachten? Theaterkarten, dachte ich, wären gut, Walter Kempowskis „Tadellöser & Wolff“ im Altonaer Theater die richtige Wahl. Aber solche Geschenke sind riskant in der Erkältungszeit. Dann also selbst hingehen. Den Film hab’ ich als Kind gesehen und Mutter Margarethe Kempowskis Ausspruch vom Rackern, bis einem das Blut unter den Fingernägeln rausspritzt, ist so ein Satz, der bis heute beim Gemüseputzen meine Stimmung aufhellt.

Margarethe, in Altona gespielt von Hannelore Droege, verströmt den ganzen Abend eine bewundernswerte Energie. Mit Sätzen wie „ach wie iss’ es schön“ schaukelt sie ihre Familie durch die Kriegszeit. Eine vergleichsweise junge Frau, wie ich in der Pause feststelle: In den Gängen nur Generation 65 plus. Modisch gekleidet, sehen die Menschen in der Toilettenschlange von hinten jünger aus als von vorn. Wer heutzutage ins Theater geht, hat das Arbeitsleben offenbar hinter sich.

Auch jüngst im St. Pauli Theater, bei „The King’s Speech“: Die Karten waren ein Weihnachtsgeschenk an ältere Verwandte und als deren Begleitung fühlt sich eine Endvierzigerin plötzlich wie ein junger Spund. So viele Grauhaarige, als wäre man auf einem anderen Stern. Aber wer weiß, nicht mehr lange – und ich kriege auch Theaterkarten geschenkt.