Sexismus und Rassismus

KÖLN Die Rechten entdecken die Frauenfrage, denn es geht um den fremden Mann. Von dieser Fürsorge fühlen sich viele Frauen nicht beglückt

Frauenproteste in Köln – gegen sexuelle Übergriffe und Rassismus Foto: dpa

Abwertend

betr.: „In Horden jagten sie die Damen“, taz vom 8. 1. 16

Eigentlich würden mich jetzt konkrete Stellungsnahmen meiner weiblichen, nicht deutschstämmigen Mitbürgerinnen interessieren. Und sicher, Übergriffe deutschstämmiger Männer werden (rückblickend) als weniger bedrohlich bewertet; vielleicht waren sie das auch oder ich hatte einfach Glück. Allerdings konnte ich eine abwertende Haltung manch nordafrikanischer oder muslimischer Männer auch häufig deutlich im Auftreten im Alltag mir gegenüber spüren. Es gibt natürlich einen großen Unterschied zwischen Haltung und Tätlichkeit.

Rita Czerwonka, Karlsruhe

Nun mal Männer

betr.: „Wirrwarr bis zum Abgang“, taz vom 9./10. 1. 16

Die Täter von Köln waren kriminelle Männer mit orientalischem Hintergrund, von denen zumindest einige die Möglichkeit genutzt haben, als Flüchtling nach Deutschland zu gelangen.

Für einige liest sich das leider so: Die Täter waren Flüchtlinge, die aufgrund der Prägung durch ihre Herkunftsländer ein in jeglicher Hinsicht verschleiertes Frauenbild haben und – da sie nun einmal Männer sind und so ein Mann hat nun einmal seine Bedürfnisse – sich an offensichtlich leicht verfügbaren deutschen Frauen vergriffen haben.

Diese Interpretation ist fatal, denn so werden die Täter letztendlich durch ihre kulturelle Prägung entschuldigt, den Opfern wird irgendwie eine Teilschuld zugewiesen und alle Einwanderer und Flüchtlinge, die derselben kulturellen Prägung unterliegen, werden als potenziell gefährlich eingestuft.

Bei den Ereignissen in Köln geht es nicht um kulturelle Prägung, es geht um Verbrechen. Die Herkunft der Männer ist insofern von Bedeutung, als dass herausgefunden werden muss, in welche kriminellen Strukturen sie eingebunden waren und inwiefern die Taten gemeinsam geplant wurden. Ihr Frauenbild spielt keine Rolle. Was sie getan haben, ist überall auf der Welt eine Straftat und das werden sie auch gewusst haben. Wenn alle Täter gefasst und nach geltendem Gesetz verurteilt würden und derartige Taten in Zukunft verhindert werden könnten, wäre sehr viel gewonnen. Allein das wird nicht leicht sein, mehr ist nicht nötig. Katrin Schüppel,Essen

Visum für Bayern

betr.: „Zurückweisung als Signal“, taz vom 6. 1. 16

Stephan Mayer, innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, will geflüchtete Männer an der deutschen Grenze abweisen: Ich hab da eine Idee. Einführung der Visumspflicht für alle bayrischen Politiker*innen, um in andere Bundesländer einreisen zu können, oder die Residenzpflicht wird erst aufgehoben, wenn schriftlich bestätigt wird, dass nicht mehr gelogen und betrogen wird. Dass Recht und Gesetz bedingungslos Beachtung finden, kein falsch Zeugnis abgelegt wird und unsere Leitkultur – Höflichkeit, Händeschütteln, Gleichberechtigung von Frauen und Männern, respektvoller Umgang mit Andersdenkenden – eingehalten wird. Politiker unter 40 stehen unter besonderer Beobachtung.

Marianne Teubert, Bremen

Eine wahre Freude

betr.: „Schlicht die neue Ebene von Sexismus“, taz vom 12. 1. 16

Wunderbar, dass sich jetzt so viele, vor allem männliche Leserbriefschreiber dieses Themas annehmen, besonders in den Lokalzeitungen. Eine wahre Freude, diese täglich zu lesen. Das macht uns Frauen Hoffnung, dass in Zukunft auch bei Oktoberfesten, Karneval, Herrenausflügen, Schützenfesten, Fußballfans in Zügen, Hooliganaufmärschen, im „globalisierten Bordell“ oder einfach so in dunklen Ecken oder im hellen Zuhause die Tätergruppe, meist betrunken, innerhalb der sonst doch recht freundlichen und liebenswürdigen Männerwelt, endlich näher unter die Lupe genommen und nach jedem Übergriff auch empfindlich bestraft wird! Diese oben genannte Gruppe verunsichert uns Frauen nämlich schon seit ewigen Zeiten! Wir kennen das schon lange, wenn auch nicht in diesem unglaublichen Ausmaß und in der Dreistigkeit wie in Köln.

Im Übrigen: Patriarchalische, monotheistische Religionen zementieren grundsätzlich Männermacht. Immer! Wenn nämlich Gott ein Mann ist (und auch ständig so dargestellt und gedacht wird), fühlt sich dann nicht im Umkehrschluss der Mann als Gott? Diese Vorstellung scheint überall auf der Welt mehr oder weniger tief zu sitzen, selbst noch bei religionsfernen Gruppen. In eine wirklich aufgeklärte, tolerante, friedliche und demokratische Gesellschaft passt diese Männermacht einfach nicht mehr. Nirgendwo auf der Welt! Schön, wenn wenigstens die deutschen Männer aus den vielen Leserbriefen dabei helfen wollen, diese Macht abzuschaffen.

Gertrud Stegmans-Kulas, Rheinberg

Kurzzeitgedächtnis

betr.: „Die verstörte Republik“, taz vom 9./10. 1. 16

Es ist ja nicht mehr auszuhalten, wie fremd wir uns selbst geworden sind oder wie aktiv unser Kurzzeitgedächtnis derzeit agiert: Brüderle 2013, schon vergessen? Und „Wer ohne Schuld ist, der oder die werfe den ersten Stein“.

Wer hat in seinem ganzen bisherigem Leben noch keine Übertretung begangen und wurde in Deutschland geboren und ist in Deutschland aufgewachsen? Wer? An dieser Stelle müssen jetzt alle in Deutschland geborenen und sozialisierten Erwachsenen den Arm heben!

Und wir, die wir in diesem Staat geboren wurden und hier leben, sollten doch sicher wissen, was hier Recht und was hier Unrecht ist.

Ja, Menschen, die gegen die hier bestehende Rechtsordnung verstoßen, müssen auch entsprechend bestraft werden. Und zur Bestrafung gehört in unserem Land doch auch die Hoffnung, dass die Menschen, die Unrecht taten, sich bessern, einsichtig sind, nie wieder straffällig werden. Deshalb gibt es die Freiheitsstrafe auf Bewährung. Schärfere Gesetze? Gut, dann bitte auch für: Parken vor der Einfahrt der Feuerwache: ein Jahr ohne Bewährung, denn es gefährdet die Ausübung des Dienstes der Feuerwehr im Ernstfall. Oder wenn 50 km/h statt 30km/h vor Kitas, Schulen oder Altenheimen gefahren wird: ein Jahr ohne Bewährung. Oder parken auf Behindertenplätze, denn es nimmt einem behinderten Menschen das Recht, einen für ihn oder sie zur Verfügung gestellten Platz nutzen zu können. Oder widerrechtliches Parken auf Frauenparkplätzen: ein Jahr ohne Bewährung, denn diese Parkplätze gibt es ja genau aus dem Grund der Gefahren, die Frauen ausgesetzt sind!

Übergriffe auf Frauen sind in keinster Weise zu dulden und zu bestrafen. Und …nicht nur Männer, die nicht in unserem Land sozialisiert wurden, verhalten sich gegenüber Frauen unwürdig. Die Werbung enthält nach wie vor stereotype Frauenbilder, die ich sehr bedenklich finde. Und Frauen, die in Frauenhäusern Zuflucht suchen, sind wohl auch von Männern misshandelt worden, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind. Und dann Herr Brüderle: 2013 – schon vergessen?Mary Herbst, Tremsbüttel

Nein, wir sind nicht blind

betr.: „Die Kritik: Das sitzt tief“, taz vom 11. 1. 16

Ja, was sagt uns das, solche sexistischen und rassistischen Titelseiten wie die von Focus und der Süddeutschen Zeitung? Es sagt uns, dass die (Chef-)Redakteure von Zeitschriften und Zeitungen von vermeintlich anspruchsvollerem Niveau leider doch immer nur billige, abgenudelte, sexistische „Ideen“, haben – wenn Frauen schon anklagen, sind sie standardmäßig natürlich nackt, wie könnte es auch anders sein – Pressekodex hin oder her. Erbärmlich, peinlich und auch äußerst langweilig ist das, und um deren Titelfrage „Sind wir noch tolerant oder schon blind?“ gleich zu beantworten: Nein, sind wir nicht – Focus und Süddeutsche kaufen und lesen lohnt nicht.

Manuela Kunkel, Stuttgart

Die Männerwelt

betr.: „Köln: 30-60-170plus“, taz vom 9./10. 1. 16

Heute im Radio und in der taz: Frauenselbstverteidigung, Frauen müssen den öffentlichen Raum zurückerobern – richtig so. Und: Wo bleibt die Reaktion der Männerwelt? Wollen wir als Räuber, Nötiger, Vergewaltiger, Gewaltmenschen wahrgenommen werden? Ist es nicht der klassische chauvinistische Reflex zu sagen, Frauen sollen sich ändern? Und Männer brauchen sich nicht zu ändern? Wenn es für Frauen Selbstverteidigung heißt, dann heißt das für die Männer Antiaggressionstraining, Auseinandersetzung mit den patriarchalischen Gewaltstrukturen und Arbeit am eigenen Selbst- und Rollenverständnis. Diese Welt kann nicht besser werden, wenn die Männer nicht anfangen, an sich und ihrem Bild zu arbeiten. Liebe tazlerInnen, ich könnte noch ewig so weiterschreiben, ich bin empört über den Tenor der Berichterstattung und dass sich keine Männerstimme erhebt. Thomas Cramer,Köln

No Alkohol to go

betr.: „Willkommen in der Hölle, Ladys“, taz vom 8. 1. 16

Zwei Drittel aller Vergewaltigungen geschehen unter Alkoholeinfluss. Das ist ein gutes Argument für Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen. Schon eine einzige verhinderte Vergewaltigung wäre es wert, dass wir auf Alkohol to go verzichten, tatsächlich würden aber enorm viele Untaten verhindert.

In Polen zahlen Straßentrinker über 30 Euro Strafe, und auch Bamberg, Ilmenau und Görlitz haben ein Alkoholverbot in der Öffentlichkeit erreicht.

Rauchfreie Kneipen sind heute normal, Straßen ohne in Kotze und Scherben liegende Karnevalskinder werden es eines Tages auch sein.

Henriette Rekers (Oberbürgermeisterin von Köln) Messerattentäter hat übrigens nach Alkohol gerochen, so ein Ermittler. Er wollte sich „Mut antrinken“.

Mögen sie nun nüchtern handeln im angeheiterten Köln.

Cedric Freiesleben, Bonn

Dann hörte der Spuk auf

betr.: „30-60-170plus “, taz vom 9./10. 1. 16

In meiner Jugend begegneten mir einige Exhibitionisten …irgendwann zählte ich sie: Es waren sechzehn. Fast alle übrigens tagsüber und im öffentlichen Raum, in dem normalerweise auch andere Leute sind.

Anfangs war ich geschockt, übertrug meine Angst auf alle männlichen Wesen, fühlte mich benutzt und ausgeliefert. Irgendwann wurde ich sauer und aggressiv. Als ich so eine Wut in mir hatte, dass ich dem letzten versuchte, in seine Genitalien zu treten und ihm innerlich seinen Schwanz abschneiden und in sein Maul hätte stopfen können, hörte der Spuk auf. Seitdem wurde ich nicht mehr belästigt. Ich will nicht zur gefährlichen Körperver­letzung aufrufen, aber vielleicht sollten wir Frauen aufhören, uns schwach zu fühlen. Maja Mangold, Radolfzell