Grandiose Selbstlüge

Laurent Mauvignier erzählt im Roman „Ein Ende finden“, den er jetzt im Literaturzentrum vorstellt, von einer absurden weiblichen Unterwerfung

Das Katastrophische ist sein Metier: Laurent Mauvignier beginnt zu erzählen, wo die Verstörung einsetzt. Sein jüngster Roman Ein Ende finden, den er jetzt in Hamburg vorstellt, handelt vom Zerfall einer Ehe. Und folgt dabei ausschließlich der Perspektive der Frau.

Das ist psychologisch gewagt und auch formal mutig, denn der schmale Roman ist ein einziger Monolog: die innere Rede der namenlosen Ich-Erzählerin. Eine Beschwörung des Schmerzes und der Versuch seiner Bannung; eine furchtbare und grandiose Selbstlüge. „Er war ja wieder da. Er war ja wieder zu Hause. Als hätte man jetzt bloß abwarten müssen, (...) dann würde sich auch wieder das Leben einstellen, das man gewollt hat, ganz von selbst.“

Er, ihr Mann, der Vater der drei Kinder, ist wieder da, nachdem ein Autounfall ihn zum Pflegefall gemacht hat. Davor aber wollte er sie verlassen, ein neues Leben beginnen mit seiner Geliebten. Nun ist er angewiesen auf ihre Fürsorge, und die ist unerschöpflich. In der Aufopferung liegt ihre vermeintliche Macht. Doch je mehr die Genesung voranschreitet, desto zudringlicher wird die alte Angst:“(...) dass das jetzt wieder anfing, diese Stiche, meine Krankheit, von der ich mich geheilt glaubte, bloß weil sie mich für eine Weile in Ruhe gelassen, und sich tiefer in mir verkrochen hatte.“ Aber „er“ bleibt. Vorerst. Und schweigt.

Mauvigniers Sprache ist ein Fluss von Worten, langen Sätzen, die oft aus der grammatikalischen Ordnung ausscheren. So gelingt es ihm, den Mantras der Selbstbeschwörung Ausdruck zu verleihen. Manchmal ist das in seiner Intensität fast unerträglich: Man möchte die Frau schütteln, die sich klein macht, die in hellsichtigen Momenten die Sinnlosigkeit ihrer Mühen erkennt – und dennoch an der Illusion einer gemeinsamen Zukunft festhält. Die Abwesenheit desjenigen, um den jede Zeile kreist, ist beklemmend.

Mauvignier fühlt sich in die Fatalität einer Liebe ein, der sich Frauen oft verschreiben: „Von ihm habe ich mir alles versprochen. (...) mit ihm zu leben, in ihm, von ihm, mich ganz aufzulösen in diesem Leben, das seines war, seines.“ Was mag den Autor an diesem Thema gereizt haben? Gelungen ist ihm jedenfalls das Psychogramm eines Selbstbetrugs. Und, fast zum Schluss, die Andeutung einer Befreiung, die entstehen kann, wenn alles zusammenstürzt und das Weggucken obsolet geworden ist. Eine Befreiung, die aus der Leere erwachsen kann, es nicht zwingend tut. Aber vielleicht. Hoffentlich. Carola Ebeling

Laurent Mauvignier: „Ein Ende finden“. Frankfurt 2004. 109 Seiten, 17,90 EUR.Lesung: Fr, 28.10., 20 Uhr, Institut Français, Heimhuder Str. 55