Kein „Bilbao-Effekt“

Bremen will bei seinem Kunsthallen-Anbau auf alle architektonische Spektakel verzichten – und sieht sich damit seiner Zeit voraus

as ist kein Paukenschlag, wegen so was kommt keiner nach Bremen“, hieß es bei der sehr gut besuchten „Stadtdialog“-Veranstaltung im Speicher XI. Gemeint ist der geplante Kunsthallenumbau.

Das prämierte Projekt des Berliner Büros Hufnagel, Pütz, Rafaelian (taz berichtete) sieht zwei neue Museumsflügel vor, die Kunsthallenchef Wulf Herzogenrath verliebt „die Bäckchen-Lösung“ nennt. Im Auditorium hingegen spricht man von „aufgeblasenen Backen“, die in ihrer Kubenkantigkeit auch als „Bunkerfurunkel“ bezeichnet werden könnten. Solcher Kritik tritt Jurymitglied Jörn Walter, Oberbaudirektor aus Hamburg, entgegen: Die Kunstsammlung des Museums „gebietet eine leise Architektur von dezenter Wirkung, die sich mit Zärtlichkeit gegenüber dem Bestand auszeichnet“.

Vornehme Diskretion – während weltweit Häuser der Kunst mit Verblüffungsarchitektur so markant gestaltet werden, dass sie von vornherein als Wahrzeichen angelegt sind, sich auf ein Logo reduzieren lassen, als Statussymbol funktionieren. Ob Sydney-Oper oder Wiener Hundertwasserhaus: Man spricht vom „Bilbao-Effekt“. Im heruntergekommenen Hafenviertel der spanischen Stadt setzte der amerikanische Stararchitekt Frank O. Gehry 1997 einen wirtschaftlichen Aufschwung in Gang, indem er mit dem Guggenheim Museum eine Ikone der Spektakelbauten schuf, die nicht nur Kunstfreunde ins Museum, sondern Touristenscharen zum Architektur-Event lockt. Das hat sich bis Herford herumgesprochen. Auch in der 65.000-Seelen-Stadt in Ostwestfalen steht jetzt ein Gehry-Museum.

„In diesem Wettbewerb architektonischer Eitelkeiten möchte Bremen nicht mitmachen“, betont Senatsbaudirektor Uwe Bodemann. So arbeite man gegen das Image, immer zu spät einem Trend hinterherzulaufen. Als der Musicalmarkt längst nicht mehr boomte, war „Jekyll & Hyde“ eine aufgemachte Pleite. Nachdem Deutschland bereits flächendeckend mit Vergnügungsparks ausgestattet war, konnte man mit dem Space Park nicht mehr punkten.

Mit der Kunsthalle will Bremen jetzt der Zeit voraus sein – und Museumsarchitektur zu ihrer Bestimmung zurückführen, den Kunstwerken zu dienen. „Die Ausstellungen sollen die Sensationen sein“, sind sich Herzogenrath und Bodemann einig. Nur das Wie der neuen Bescheidenheit scheint strittig, nicht das Warum. Verzichte Bremen auf die Investition, könnten Großausstellungen nicht mehr realisiert werden, legt Herzogenrath dar – zu groß sei die Renovierungsbedürftigkeit des Hauses.

Dieses wünschte sich das Auditorium beim „Stadtdialog“ weniger „als Ort des stillen Genusses der Dauerausstellung“, sondern als „Ort der Ausstellungs-Events“. Dafür würde man auch zahlen. Bremen, so will Herzogenrath verstanden haben, werde sich an den ansonsten noch nicht bezifferten Kosten mit „wohl 16 Millionen“ beteiligen. Um weitere Gelder müssten sich die 6.300 Mitglieder der Kunsthallen-Trägervereins kümmern.

Betont wird, nicht aus Geldnot verzichte man auf kapriziöse Sensationen. Eine Billiglösung seien die Anbauten nicht. Aller vordergründigen Schlichtheit zum Trotz behaupten sie eine eigene künstlerische Qualität, erhöhen sich zu einer sehr stark blockhaften Skulptur. „Sie soll nicht den Altbau widerlegen“, sagt Architekt Karl Hufnagel. „Wir wollen die Monumentalität der Repräsentationsarchitektur in einer neuen Typologie organisch weiter entwickeln.“

Die Plastizität der klassizistischen Fassadengliederung werde übersetzt in die Abstraktion einer planen Schichtung materiell unterschiedlicher Fassadenverkleidung. Konzeptionelles Prinzip: „Umkehrung des Altbaus“. Setzte man im 19. Jahrhundert auf reichlich Fenster, sperrt man nun Tageslicht und Umfeld aus. Die Wände der Ausstellungssäle werden an der Außenfront mit Naturstein verziert; wo die Decken eingelassen sind, sollen Lichtbänder oder Intarsien für die Werke der ausgestellten Künstler werben. Nur dort, wo Büroräume versteckt sind, sollen Glasgevierte den Steinkarton durchbrechen. Hanseatisch zurückgenommen werde so auf die innere Nutzung verwiesen. „Die Einfachheit im Gegensatz zum Altbau ist das Spektakuläre“, rechtfertigt Hufnagel den Entwurf. fis