Hörbücher „Tatort“-Kommissar Dieter Bär verschwindet souverän, während er Håkan Nessers neuen Roman vorliest
: Menschen, die ihr Glück finden

Dietmar Bär versetzt den Zuhörenden in eine von einem allwissenden Erzähler errichtete Welt

H åkan Nessers neues Werk ist einmal kein Krimi. „Elf Tage in Berlin“ ist ein Entwicklungsroman und ein Berlin-Roman. Und es ist eine Spurensuche – da kann der schwedische Meisterkrimiautor Nesser es doch nicht lassen – mit kriminalistischen Elementen.

Aber der Reihe nach. Arne Murberg ist buchstäblich auf den Kopf gefallen. Bei einem Badeunfall, als er noch ein Kind war. Seither fällt es ihm schwer, sich zu konzentrieren, und komplexe Zusammenhänge erschließen sich ihm nur nach und nach. Er wuchs bei seinem Vater in einer schwedischen Kleinstadt auf, arbeitet in dessen Laden und ist mit seinem Leben zufrieden. Auf dem Totenbett nimmt sein Vater ihm ein Versprechen ab: Arne soll die bis dahin tot geglaubte Mutter in Berlin ausfindig machen und ihr ein verschlossenes Kästchen überbringen. Das ist eine große Herausforderung für Arne. Doch er wächst mit seinen Aufgaben und stellt sich nach seinen Möglichkeiten ziemlich schlau an.

Nesser beschreibt detailliert Orte, die Arne in Berlin aufsucht. Vom Tiergarten über die Kantstraße und den Schleusenkrug bis zum KaDeWe sind seine Wege anschaulich nachvollziehbar. In einem Café lernt er ­Beate kennen, die die Schlüsselfigur bei seiner Suche ist – und der Aufhänger für Nessers kriminalistischen Ausflug ins Okkulte.

Wie bereits bei einigen Nesser-Produktionen zuvor, liest „Tatort“-Kommissar Dieter Bär „Elf Tage in Berlin“. Aber „lesen“ ist genau genommen das falsche Wort. Bär verschwindet hinter dem Text, man nimmt ihn als Instanz nicht wahr, er versetzt den Zuhörenden in eine von einem allwissenden Erzähler errichtete Welt. Mit dezenten Modulationen verdeutlicht er Arnes verlangsamtes Denkvermögen oder lässt den Professor, der Arne hypnotisiert, gestört erscheinen. Das Ende der Geschichte, zu dem Nesser alle gesponnen Fäden elegant zusammenführt, ist zwar keine große Überraschung. Aber was bei einem Buch ein Page-Turner ist, findet hier sozusagen als Audiotrack-Turner seine Entsprechung. (Der Hörverlag, 1 MP3-­CD, 7 Std. 58 Min., vollständige Lesung)

Die Geschichte, von einem der auszieht und in der Fremde sein Glück findet, ist auch der Stoff, aus dem Märchen sind. Mit „Pechvogel und Glückskind“ legt die Edition See-Igel erneut eine Produktion für die ganze Familie mit Kindern ab sechs Jahren vor, die ein eher unbekanntes Märchen mit ebenfalls weniger bekannter klassischer Musik verbindet. Der Schweizer Schauspieler Samuel Weiss liest das vom Leipziger Chirurgen und Hochschullehrer Richard von Volkmann-Leander (1830–1889) verfasste Märchen unprätentiös und fesselnd im Stil eines modernen Märchenonkels.

Der arme Pechvogel macht seinem Namen alle Ehre. Als er auf Rat der immer fröhlichen Prinzessin Glückskind seinen Namen ändert und damit sein Leben ins Glück wendet, stürzt er sie damit ins Unglück. Nur widerwillig erkennt Glückskinds Vater, dass es keinen Sinn ergibt, den ehemaligen Pechvogel einzukerkern. Schließlich sind Pechvogel und Glückskind wie zwei Seiten einer Medaille, also nicht zu trennen.

Matthias Lingenfelder und Peter Orth interpretieren die eingeschobenen Stücke für Vio­line und Klavier von Fauré, ­Glière, Godard, Maderna geradlinig, das Auryn Quartett setzt mit dem Streichquartett des lettischen Komponisten Joseph Wihtol ein romantisches Highlight. Das verleiht der Erzählung eine ruhige Struktur. Die Zuhörenden können die Geschichte nachhallen lassen. Zudem erzeugt die Musik eine angenehm erhabene Stimmung. (Edition See-Igel, 58 Min.) Sylvia Prahl