taz.adventskalender Die 18
: Wir wünschen uns ... Menschlichkeit

Das Leben ist ein Wunschkonzert: Stimmt leider nicht ganz, aber zumindest im Advent werden Sehnsüchte, Hoffnungen – Wünsche eben – geäußert. Auch an dieser Stelle in der taz, bis zum 24. Dezember jeden Tag.

Ich wünsche mir Menschen, die erkennen, dass neben ihnen auch noch andere Menschen in ihrer Stadt, ihrem Bundesland, ihrem Berlin leben. Ich wünsche mir Menschen, die anderen Menschen ihren Lebens- und Aktionsraum lassen: Radfahrern ihren so oft zugeparkten Radweg, Busfahrern die Busspur, Anwohnern ihre Tempo-30-Zone. Ich wünsche mir Menschen, die nicht meckern, wenn jemand mit Rad in den Rad- und Gepäckwagen der S-Bahn steigt, sondern Platz machen.

Ich wünsche mir Menschen, die anderen die Tür aufhalten, ohne Portier zu sein, und auch mal den Vortritt lassen, egal ob in der U-Bahn oder in der Pommesbude. Ich wünsche mir Menschen, die dafür auch mal mit einem Lächeln „Danke“ sagen. Ich wünsche mir, mehr Menschen zu begegnen, die sich komplett schwarze Kleidung für Beerdigungen aufsparen, Menschen, deren farbenfrohes Äußeres sich als Ausdruck fröhlicher Gedanken deuten lässt, als Gegenstück zur wintergrauen Stadt. Ich wünsche mir Menschen, die nicht sofort hupen, sobald vor ihnen jemand ein anderes Auto ausparken lässt oder ein Auswärtiger etwas vorsichtiger fährt.

Ich wünsche mir Menschen, die anderen die Tür aufhalten, ohne Portier zu sein

Ich wünsche mir Menschen, die dem BVG-Fahrer beim Einsteigen einen schönen Tag wünschen statt nur zu motzen und sich später über die angeblich immer unfreundlichen Berliner Busfahrer zu beklagen – die angesichts einer solchen Behandlung logischerweise nicht immer guter Dinge sind. Kurzum: Ich wünsche mir für Berlin, was normal sein sollte – mehr Menschlichkeit. Stefan Alberti