Großes für Kleine

Bühne Kinder- und Jugendtheater leisten eine wichtige kulturelle Aufbauarbeit für Heranwachsende. Am 10. Dezember hat das Abgeordnetenhaus nun endlich eine zusätzliche Förderung dafür beschlossen

Wer als Kind mitreißendes Theater erlebt hat, wird auch später ins Theater gehen

von Sylvia Prahl

„Erst hatte ich vor, meine Verdienstmedaille zurückzugeben. Das ist jetzt zum Glück nicht mehr nötig“, sagt Volker Ludwig. Der 2007 mit dem Verdienstorden des Landes Berlin ausgezeichnete Gründer und Geschäftsführer des weltberühmten Grips-Theaters freut sich über die am 10. Dezember letzten Jahres für 2016 vom Abgeordnetenhaus beschlossene zusätzliche Förderung der Kinder- und Jugendtheater Berlins in Höhe von 500.000 Euro. Sein Haus erhält davon 100.000 Euro, dazu kommen 50.000 Euro, die bereits im September bewilligt wurden (neben der jährlichen Förderung von ca. 2,8 Millionen Euro). ­Weitere 100.000 Euro gehen an das Thea­ter Ramba Zamba, die Verwendung der übrigen 300.000 Euro ist noch nicht festgelegt.

Das zusätzliche Geld ist auch eine Anerkennung der wichtigen Aufbauarbeit, die die Kinder- und Jugendtheater leisten. Wer als Kind mitreißendes Thea­ter und den Spaß an der Interaktion erlebt hat und die Wertschätzung erfahren hat, dass sich da jemand leibhaftig Mühe gibt, einem unterhaltsam Geschichte zu erzählen, wird später auch als Erwachsener ins Theater gehen.

Entsprechend ist auch das Interesse des Kultursenats, Kinder und Jugendliche an kulturelle Bildung heranzuführen groß, wie der Büroleiter von Kulturstaatsekretär Renner, Diedrich Wulfert, sagt. Die proportionale Diskrepanz in der Höhe der Bezuschussungen begründet Wulfert damit, dass Kinder- und Jugendtheater viel kleinere Festkosten hätten, kleine Ensembles zu bezahlen und weniger auf Tourneen gehen würden.

Mit etwa 90.000 Zuschauern pro Jahr seien die Plätze im Grips durchschnittlich zu 90 Prozent ausgelastet, erzählt Volker Ludwig (zum Vergleich: die Volksbühne hat 71 Prozent). Das sei auch nötig, um sich annähernd zu tragen. Zu schaffen sei das nur mit ihrer „Lebensversicherung“, dem seit 1986 laufenden Erfolgsstück „Linie 1“.

Mit den Abendvorstellungen spielt das Grips-Theater dreimal so viel ein wie mit dem eigentlichen Kerngeschäft, den Schulvorstellungen, an denen sie nichts verdienen. Weil im nächsten Jahr ein Leitungswechsel ansteht und der scheidende Intendant Stefan Fischer-Fels ein Defizit hinterlässt und mehrere Schauspieler mitnimmt, kommen auf das Grips-Theater erhöhte Ausgaben zu. Die Schauspieler werden bis August bezahlt, die neuen aber bereits ab Februar, schließlich müssten sie die Stücke einstudieren. (Zum Vergleich: Castorf-Nachfolger Chris Dercon bekommt allein für die Vorbereitung seiner Intendanz an der Volksbühne 3 Millionen Euro). So wird nur wenig Geld übrig bleiben, das in die sechs Neuproduktionen der nächsten Spielzeit fließen kann. Neuer Intendant wird Philipp Harpain, der bisher dem umfangreichen theaterpädagogischen Programm des Hauses vorstand. Volker Ludwig erzählt, dass der Verein Grips Werke sein viel genutztes Begleitprogramm zu aktuellen Produktionen aber nur mit Drittmitteln finanzieren könne, deren Akquise viel zu viel kostbare Zeit in Anspruch nimmt. Zudem sei die Miete in den letzten vier Jahren um 20.000 Euro gestiegen. Die Pressesprecherin des Grips-Thea­ters, Anja Kraus, bringt das Dilemma auf den Punkt: „Wir sind ein Kinder- und Jugendtheater, haben aber keine Kinderkosten. Wir zahlen Erwachsenen Löhne und haben normale Kosten.“

Um die Kosten für die Zuschauer niedrig zu halten und allen Berliner Kindern einen Theaterbesuch im Jahr zu ermöglichen, bezuschusst der vom Senat geförderte Jugendkulturservice (JKS) Eintrittskarten für über 80 Theater mit 1,50 € pro Person und Vorstellung. Arbeitet ein Theater professionell, zeigt keine Revuen oder Zirkusnummern, sondern ein Programm, das die jungen Zuschauer inhaltlich erreicht, kann es sich für die Teilnahme am sogenannten Ermäßigungsverfahren bewerben, sagt Gunnar Güldner vom JKS.

In den letzten drei Jahren sind durchschnittlich 290.000 Besuche gefördert worden. Aufgrund der steigenden Schülerzahlen im rasant wachsenden Berlin war bis vor Kurzem die Finanzierung des Ermäßigungsverfahrens bis ans Jahresende nicht gesichert. Doch der Mehrbedarf wurde vom Senat anerkannt, und so können Kinder auch noch im nächsten Dezember bezuschusst ins Thea­ter gehen.

Vom Ermäßigungsverfahren profitieren auch die kleineren Bühnen oder Spielstätten, die keine institutionelle Förderung erhalten. „Für uns wäre es schon schwer, das Alleinstellungsmerkmal zu benennen“, sagt die Leiterin des Figurenthea­ters Grashüpfer am Treptower Park, Sigrid Schubert. Wie viele andere Spielstätten in der Stadt auch, vermietet sie ihre Bühne an diverse freie Gruppen – weshalb die Programme in mehreren solcher Spielstätten nahezu identisch sind. Durch das Ermäßigungsverfahren nutzen viele Kitas das Vormittagsangebot, doch auch hier bleiben Sitzreihen leer, wenn das Stück unbekannt ist.

Ihr großes Glück sei, dass sie keine Miete zahlen müsse, sondern nur Betriebskosten, die aufgrund der Alleinlage und des Vandalismus recht hoch sind. Und für das nächste Jahr bekommt sie eine investive Förderung in Höhe von 12.000 Euro, freut sich Schubert. „Dann können wir die kaputten Scheinwerfer ersetzen.“ Damit die allesamt hochkarätigen Vorstellungen, die im Grashüpfer Theater zu erleben sind, auch weiterhin gut beleuchtet über die Bühne gehen können.

Die nächsten Premieren

„Don Quixote“ – emanzipatorischer Entwicklungsroman als Theateradaption für Kinder Foto: Grips-Theater

Für das Grips-Theater hat Lutz Hübner „Don Quixote“ für Kinder und Jugendliche inszeniert (ab 7. 1.). Das Atze Musiktheater zeigt ab dem 10. 1. „Die Ministerpräsidentin“. Das Stück erzählt die Geschichte einer 12-jährigen Ministerpräsidentin in Norwegen. Im Theater Strahl beschäftigt sich das Tanztheaterstück „The Basement“ ab dem 12. 1. mit der Frage, wie man den Augenblick erkennt, in dem man sein Leben verändern kann.