Der Atomausstieg bleibt
: KOMMENTAR VON NICK REIMER

Böse Zungen behaupten: Sozis können nicht umfallen, weil sie nie aufrecht gestanden haben. Atomkraftgegner befürchten, dass sich der Spruch jetzt bewahrheiten könnte. Im Wahlkampf verkündeten Plakate in der ganzen Republik: „Für den Atomausstieg – SPD“. Und auch Kanzler Schröder vertrat die Position im Duell mit Merkel mit so viel Verve wie nie zuvor. Gestern dagegen mischten sich SPD-„Kreise“ in die Koalitionsverhandlungen ein: Der Ausstieg aus dem Atomausstieg stehe im Raum. Fällt die SPD also um?

Wohl kaum. Der Atomausstieg wird Bestand haben. Dafür sprechen vier Anzeichen: Erstens hat sich die SPD darauf festgelegt. Kann ja sein, dass das manchem Gewerkschafter mit SPD-Parteibuch nicht passt. Doch ein Koalitionsvertrag, der den Status quo nicht fortschreibt, würde vom Parteitag keine Mehrheit bekommen. Das weiß auch die Union. Die behandelt deshalb – zweites Anzeichen – längere Laufzeiten nicht mehr so prioritär wie im Wahlkampf. Das liegt auch an den Stromkonzernen: Die hatten der Unions-Idee, den Strompreis im Gegenzug zur Laufzeitverlängerung zu senken, eine klare Absage erteilt.

Drittens schließlich hat auch die Industrie die Restlaufzeiten akzeptiert. Natürlich ist Misstrauen angebracht, wenn die Chefs der deutschen Atomkonzerne versichern, sich fair an die Absprachen halten zu wollen. Und natürlich darf man ihnen unterstellen, dass sie sich neue politische Zugeständnisse erhoffen. Hinter den Konzernführern ist die Post-Atom-Zeit aber längst angebrochen: Betriebswirtschaftliche Kalkulationen und Investitionspläne werden inzwischen ohne Atomkraft gemacht. Viertens hat sich gezeigt – und das ist wesentlich ein Verdienst des SPD-Umweltflügels –, dass der Atomausstieg wirtschaftspolitisch klug und sinnvoll ist. Lange bevor die Erdgas- und Erdölreserven aufgebraucht sind, gehen nämlich die Uranvorkommen zu Ende.

Wer jetzt die Energiewirtschaft in ein postatomares Zeitalter überführt, sorgt für einen Innovationsschub, der dem Wirtschaftsstandort Deutschland entscheidende Vorteile bringt. Kann ja sein, dass manche Rückwärtsgewandte in der SPD dennoch fürs Umfallen sind. Durchsetzen werden sie sich nicht.