: Die Ideenagentur von Ottensen
STADTTEILBILUNG Das Altonaer Kulturzentrum Motte plant in Hamburgs Westen ein „Ohrlotsen“-Projekt, bei dem Kinder eigene Radiosenungen und Hörspiele produzieren
VON MART-JAN KNOCHE
Ein „Leuchtturmprojekt“ für die Metropolregion nennen sie es stolz. Dreihunderttausend Euro und drei Jahre haben die Pädagogen des Stadtteilzentrums Motte bekommen. Im Januar starten sie die „Ohrlotsen – zwischen Wedel und Altona“, um die Bildungslandschaft im Hamburger Westen zu verändern.
Zu „Ohrlotsen“ werden Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren, die in Altona und nebenan im schleswig-holsteinischen Wedel leben. Sie arbeiten mit auditiven Medien, produzieren Hörspiele und Radiosendungen, um ihre Medienkompetenz zu fördern. Dabei kooperieren außerschulische Bildungsorte wie Stadtteilzentren, Kinderbibliotheken und Museen mit Schulen. Bis Ende 2012 sollen die Motte-Pädagogen mit Künstlern und Lehrern ein regionales Netzwerk aufgebaut haben. Um eine moderne, ganzheitliche Bildung anzustoßen, die nach dem PISA-Schock nötig ist.
Das Geld fließt aus einer privaten Stiftung. Und: „Die Motte übernimmt die Durchführung der einzelnen Projekte“, so steht es im Förderkonzept des bis 2013 konzipierten Projekts.
Es ist nicht das erste, das dieses Ottensener „Stadtteil & Kulturzentrum“ anstößt, das sich als „Ideenagentur und aktiver Partner in der Stadtentwicklung“ definiert. Die Motte rief die Altonale ins Leben und organisiert bis heute das Stadtteilfestival, das jährlich bis zu 600.000 Besucher anzieht. Auf die Börse ihres Aktivoli-Netzwerks für ehrenamtliche Arbeit gingen gerade wieder 6.000 Hamburger. Seit 1976 steht die kulturelle Bildung in der offenen Jugendarbeit im Focus. Es gibt Theater, Berufsorientierung, Treffs, Werkstätten, Projekte mit Musik, Radio, Film und Multimedia, die auch Preise gewannen.
Und in der Filmwerkstatt Mottenschau drehte ein Schüler seine ersten Filme, der später Preise in Cannes absahnte. „Das waren die einzigen 15 Punkte, die ich je im Kunstunterricht bekommen habe“, sagt Fatih Akin heute über damalige Kooperation seiner Altonaer Schule im Kunstunterricht.
Auf die langjährigen Erfolge aufbauend, errichten die Bildungs-Pädagogen bereits 2004 in der Motte ein „MedienkompetenzCenter“ für Hamburg. Sie etablieren einen außerschulischen Lernort für die neuen Ganztagsschulen der Umgebung, die solche Angebote gut nutzen können.
„Unser Ansatz bedeutet nicht bloß konsumieren, sondern selber machen“, erklärt der Ohrlotsen-Projektleiter Clemens Hoffman-Kahre. Erst daraus ergebe sich Kompetenz im Umgang mit Medien. Gerade abgeschlossen hat der moderne Lernbegleiter das Hörspielprojekt „Hast Du Töne - aus Texten werden Hörgeschichten“. Viertklässler der Wedeler Albert-Schweitzer-Schule produzierten einen Namensrap und Klassenhörspiele, angeleitet vom Kinderbuchautor Werner Färber und einer Hörfunk-Journalistin. Einige Monate ging es ins Motte-Tonstudio, das Hoffmann-Kahre vor drei Jahren für knapp 60.000 Euro einrichtete.
„Ton ist ein Medium mit dem Kinder aufwachsen“, sagt Hoffmann-Kahre. Daher seien sie gut erreichbar. Und wenn sie Radio machen, wie in der Motte für Tide 96.0, „erfahren Kinder das Gefühl, sich an der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen.“ Dabei erwerben sie Lese-, Spach-, Zuhör- und sogar noch Demokratiekompetenz.
Die geschieht auch bei dem Projekt für Teenager: Die filmen interaktive Videos, deren Handlung frei wählbar ist, drehen mit Handys Pocketfilme und lernen, dass Medien Wirklichkeit nur konstruieren und TV-Soaps keine realen Abbilder zeigen. Gerade weilt eine Mitarbeiterin in Ouagadougou, Burkina Faso, weil sie dort ein weiteres Medienprojekt aufbaut.
In der Motte arbeiten 16 festangestellte Mitarbeiter und rund 100 Ehrenamtliche. Das ist mit 766.000 Euro Jahresbudget ein Hamburger Leuchtturm, doch gemessen an einer halben Milliarde für die Elbphilharmonie sind das Peanuts. Wie hell wohl würde eine 500-Millionen-Motte leuchten? Oder ein Motten-Schwarm aus lauter „Ideenagenturen“, der sich über die Stadt legt? Die Motte ist auch Teil eines alternativen Modells zur Marke Hamburg. Für eine Metropole, die ihre kreativen Kinder füttert, nicht frisst.
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