Verdammte Seele

DÜSTER-SOUL Eine eigenwillige Mischung: Als Cold Specks verknüpft die kanadische Singer/Songwriterin Al Spx mit tiefen Timbre puritanischen Gospel und Südstaaten-Blues mit dem Soul der 50er und Post-Folk

Die dichte Atmosphäre entsteht durch die außergewöhnliche Stimme

VON NILS SCHUHMACHER

Der Weg von Etobicoke nach London ist nicht weit. Den im westlichen Teil Torontos gelegenen Stadtteil verbindet ein Highway direkt mit dem Pearson International Airport, von wo aus über 48 Verbindungen pro Woche in die englische Hauptstadt gehen. Eine davon wird Al Spx vor einigen Jahren genommen haben. Die Tochter somalischer Immigranten wählte ihren Künstlernamen in Anlehnung an X-Ray-Spex’ Poly Styrene. Und sie überstülpte ihn wie in einem großen Vernebelungsakt mit einem weiteren Künstlernamen, der aus James Joyces schwerverdaulichem Werk „Ullysses“ stammt. Als Cold Specks veröffentlichte sie 2012 „I predict a Graceful Expulsion“ (Mute).

Deutlich weiter scheint der musikalische Weg, der zurückzulegen ist, um von nördlich gelegenen Metropolen, Punk-Namen und irischer Collagentechnik zu einem solchen Album zu kommen. Die Songs von Cold Specks basieren im Wesentlichen auf der von ihr gespielten Akustikgitarre und erfahren, wo sie nicht gänzlich nackt vor einem stehen, hin und wieder eine vorsichtige (und modernisierende) Ergänzung durch den Einsatz von Streichern, Tasten, Percussion, einem Choral hier, einem Sample dort. In ihnen verbinden sich auf diese Art der puritanische Gospel und Blues des tiefsten US-amerikanischen Südens mit dem schon etwas weltläufigeren Soul der 50er Jahre und sogar Spurenelementen eines heutzutage obligatorischen Singer/Songwriter-Post-Folks. Die Sache bleibt gegenüber einem „bisschen dies, bisschen das“ jedoch eher klar definiert und im Spannungsfeld zwischen der alten Schule eines James Carr und den düsteren Erzeugnissen eines Tom Waits oder einer Mirel Wagner angesiedelt.

Die atmosphärisch dichte Musik von Spx, etwas redundant, als „Doom Soul“ bezeichnet, entsteht allerdings nicht zuletzt durch die außergewöhnliche Stimme der mittlerweile 24-Jährigen, die tatsächlich von „weit weg“ stammen könnte und deren ganzes Potenzial sich möglicherweise erst auf späteren Platten zeigen wird. An Kim Carnes mag man denken, wenn man die Rauheit dieser Stimme in den Vordergrund rückt. Aber es ist dann doch eher Macy Gray, deren soulige Wärme sich wie ein Mantel auf diese Rauheit legt. Kräftig und gleichzeitig zurückhaltend tastet sich Spx so mit tiefen Timbre durch Songs, die einer ordentlichen kirchlichen Lobpreisung genauso gut stehen wie einer verhangenen Stimmung zwischen Etobicoke und London.

■ Sa, 12. 1., 19 Uhr, Knust, Neuer Kamp 30