„Die Schuldenbremse ist eine Gefahr“

LINKE PERSPEKTIVE Felix Pithan ist neu in der Doppelspitze von Bremens Die Linke: In der taz erklärt er, mit welchem Politikverständnis er die Partei entwickeln will und welche Machtoptionen er sieht

Ich habe kein Top-down-Verständnis von Politik, sagt Linken-Chef Felix Pithan  Foto: Best

interview: Benno Schirrmeister

taz: Herr Pithan, wie viel Masochismus ist nötig, um Parteichef von Die Linke zu werden?

Felix Pithan: Ich glaube eher, dass mein Amt in der Doppelspitze viel Spaß macht.

Es bedeutet viel Arbeit für kein Geld...

Das ist bei den meisten ehrenamtlichen Aufgaben so. Aber ich glaube, dass ein Landessprecher von Die Linke viel Gestaltungsmöglichkeiten hat. Und darauf freue ich mich.

Wie harmonisch! Früher war Die Linke in Bremen ein so zerstrittener Verein: Sind die inneren Kontroversen verstummt?

Ich glaube nicht, dass wir uns in Die Linke mehr streiten müssten, um weiterzukommen: Es ist gut, wenn wir jetzt Energie statt in interne Konflikte nach außen lenken.

Wohin wollen Sie denn Ihre Partei führen?

Also ich habe kein Top-down-Verständnis von Politik und ich denke, das gilt für die ganze Partei: Inhaltlich nehmen wir auch Anstöße von außen auf, wie vergangenes Wochenende bei unserem landespolitischen Ratschlag.

Das war keine reine Parteiveranstaltung?

Da waren Parteimitglieder da, aber eben auch Menschen von Initiativen, die wir untersützten, aus der Flüchtlingshilfe oder vom Bündnis für bezahlbaren Wohnraum. Für die organisatorische Entwicklung der Partei steht jetzt als nächstes eine Stärkung der Mitgliederentwicklung an: Wir müssen in den Stadtteilen mehr präsent sein. Im Mai hatten wir ja ein erfreulich gutes Wahlergebnis. Das wollen wir festigen und in vier Jahren noch überbieten. Dafür müssen wir aber auch mehr Menschen dazu bringen, bei uns mitzumachen.

Die Frage stellt sich für Die Linke wahrscheinlich am nachdrücklichsten – denn stark waren ihre Ergebnisse vor allem in Stadtteilen mit schwacher Wahlbeteiligung: Wo Menschen leben, die sich oft abgehängt fühlen: Wie wollen sie die aktivieren?

Aktivieren – das hört sich so an, als ginge es darum, irgendeinen Schalter umzulegen. Das wird nicht funktionieren.

Klar. Aber was wird funktionieren?

Es geht mehr darum, dass Menschen die Erfahrung machen, dass sie etwas bewirken können. Also nicht bloß, dass ihnen jemand erzählt, dass ihre Stimme wichtig ist. Um das zu glauben, müssen die Leute erleben, dass sie selbst etwas verändern können, dass es ihnen möglich ist, ihre Lebensumstände – und sei es auch nur punktuell – zu verbessern, indem sie sich engagieren.

Zum Beispiel?

Ich finde, die Auseinandersetzung um die Schule in Gröpelingen ist ein gutes Beispiel dafür.

In den Koalitionsverhandlungen hatten SPD und Grüne den Bau der Oberschule Ohlenhof beerdigt ...

Genau. Und dagegen gab es breiten Protest. Der war wirksam. Der hat den Beschluss gekippt.

Verändern kann man in der Regierung allerdings leichter: Welche Machtoption soll Die Linke 2019 haben?

Ich finde nicht, dass sich die Frage danach in Bremen stellt.

Sind Sie nicht durch Ihr persönliches Profil der Mann für Rot-Rot-Grün?

Ob rot-rot-grüne Koalitionen wirklich zustande kommen, und ob sie einen Politikwechsel bewirken, das hängt meiner Ansicht nach weniger von persönlichen Profilen ab als von den politischen Rahmenbedingungen. In Bremen haben wir eher die Situation, dass die SPD mit wechselnden Partnern herrscht, ohne dass es dadurch zu einem entscheidenden Politikwechsel käme. Es wäre ja vermessen, zu denken, dass sich das ändern würde, wenn wir jetzt den kleinen Koalitionspartner spielen würden.

Also keine Lust, mitzuregieren?

Felix Pithan

29, Klimaforscher, ist seit 2012 Mitglied im Bundesvorstand und seit November neben Doris Achelwilm Bremer Landessprecher von Die Linke.

Nicht ohne die Perspektive auf einen grundlegenden Wechsel. Die müsste es geben, damit das attraktiv würde – für uns, aber auch für die Menschen, die das zur Wahl motivieren soll.

Die erste rot-grüne Legislatur war aus Ihrer Sicht kein Politikwechsel?

Nein. Was für uns Politikwechsel bedeutet, wäre die Abkehr von der neoliberalen Kürzungslogik. Wir bräuchten eine Landesregierung, die ganz gezielt in ärmere Stadtteile investiert, in die Bildung dort, und die nicht erst auf massiven Druck und durch Kämpfe sich dazu treiben lässt, dort eine lange versprochene und dringend benötigte Schule auch wirklich zu bauen.

Aber das wäre doch das Mindeste, wofür eine linke Regierungsbeteiligung automatisch sorgen würde, schon aus Stabilitätsgründen, dass die benachteiligten Stadtteile besser ausgestattet werden! Ist die Machtfrage so obszön?

Nein. Natürlich nicht. Aber das entspricht nicht den politischen Verhältnissen Bremens.

Das heißt, anders als Thüringen und wie Ihr Vorgänger halten Sie es nicht für möglich, mit einer Schuldenbremse linke Politik zu machen?

Ich fürchte, Bremen ist in einer deutlich anderen fiskalischen Lage als Thüringen – wo übrigens auch angesichts der aktuellen Herausforderungen die Schuldenbremse noch einmal infrage gestellt wird: Die Schuldenbremse ist eine Gefahr für die Gesellschaft. Und gerade mit der Verheißung, dass 2020 schon alles besser werde, verführt sie dazu, auf einen unverantwortlichen Spar- und Kürzungskurs zu setzen, obwohl wir durch die wachsende Bevölkerung, infolge der starkem Zuwanderung Investitionen in die soziale Infrastruktur, in Bildung brauchen, dringender denn je.

Aber kann denn ein Ziel linker Politik sein, dass die Finanzdienste sich an den Kreditzinsen der öffentlichen Hand bereichern?

Nein, auf keinen Fall. Wir sind deshalb für eine Umverteilung – und wenn da auf Bundesebene nichts zustande kommt, müssen wir halt mal darüber nachdenken, ob sich nicht auf Landesebene eine Vermögenssteuer einführen ließe. Schließlich gibt es da faktisch keine bundesweite Regelung – seit das Bundesgesetz nicht mehr angewandt wird.