Berliner Szenen: Dank Dir selbst
Lädiert von Arbeit
Ein Thema, das in dieser Kolumne mit schöner Regelmäßigkeit behandelt wird, ist der Besuch von Yoga-Klassen, Rückenkursen und anderen Gymnastikveranstaltungen. Das sagt auch etwas über unsere Zeit. Lädiert von entfremdeter Büroarbeit, der sitzenden Tätigkeit an nicht ergonomisch platzierten Computern, die uns die Informationsgesellschaft aufzwingt, und stressenden prekären Lebensverhältnissen im Neoliberalismus, berichten Autoren hier gern von ihren Versuchen, die so verursachten Schäden durch Herumturnen zu reparieren.
So auch ich. Seit einigen Monaten quäle ich mich auf Anraten des Hausarztes zweimal die Woche ins Fitnessstudio, um den Rücken zu stärken und so den Schmerz in den Beinen zu lindern. Ich bin superstolz darauf, dass ich diese Selbstdisziplin aufbringe. Und eine der Trainerinnen, die gelegentlich vor uns herum springt – auch sie wahrscheinlich Teil eines gymnastischen Prekariats – ,ermahnt uns am Ende der Stunde auch immer dazu, uns selbst zu danken, dass wir da waren. Man hätte ja auch auf dem Sofa liegen bleiben können.
Ich fühle zwar nie den Unterschied zwischen linker und rechter Körperhälfte, auf den mich die Trainer nach irgendwelchen Verrenkungen hinweisen. Und ich verstehe auch nicht, was gemeint ist, wenn sie mich auffordern, „Kraft in den Rumpf“ zu geben. Oder „im Rücken weich zu werden“. Oder „die Schulterblätter in die Hosentaschen zu stecken.“ Auch das Wasserglas, dass sich auf meinem Rücken befinden soll, wenn ich die „Tischposition“ eingenommen habe, erscheint nicht vor meinem geistigen Auge. Aber man fühlt sich seltsamerweise trotzdem schwer geläutert, wenn man eine Stunde damit verbracht hat, seine Beine in einer absurden Position noch ein bisschen weiter gen Decke zu strecken. Tilman Baumgärtel
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