KUNST

KunstNoemi Molitorschaut sich in Berlins Galerien um

Den Verlust eines Menschen aus dem Privaten tragen, mitten in eine Galerie. Und damit diese Person bejahen, ja derart würdigen, dass sie viel mehr bedeutet als die eigene Verbindung zu ihr. An zwei Orten bin ich dieser offenen Form des Gedenkens vergangene Woche begegnet. Die Kunstinitiative SomoS zeigt die Videoarbeit „The Five Senses“ des jung verstorbenen Künstlers Brian Tennessee Claflin, die er 2007 in Kollaboration mit Greta Frau anfertigte. Auf seiner PORK-Party im Ficken3000 habe ich an vielen Sonntagnächten die Pole Dance Stange umtanzt, ohne Claflin je zu kennen. Hier sind sein Gesicht und seine nackten Schultern auf fünf Leinwänden präsent. Konzentriert und scheinbar immer wieder gerührt, empfindet er das Hören, Riechen, Fühlen, Schmecken und Sehen mit minimalen Gesten und Geräuschen nach, nimmt sich Zeit. Eine rohe, verletzliche Art, den eigenen Körper wahrzunehmen wird hier performt, herausgestellt, befragt (bis 19. 12. Mi.–Sa., 14–19 Uhr, Kottbusser Damm 95).

Christoph Schieders Foto-Ausstellung „Lothars Wohnung. Was bleibt, wenn wir gehen“ in der Galerie im Tempelhof Museum schaut ins Innerste eines anderen. Schieders Serie kombiniert Fotos, die zu Lebzeiten seines Schwiegervaters Lothar entstanden und diesen vor allem über seine Wohnungseinrichtung porträtierten, mit Bildern der gleichen, nun leer stehenden und überrenovierten Stellen, an denen die Aufnahmen ursprünglich entstanden. Wo einst Tiger-Bettwäsche vor gemusterter Tapete und extravaganten 60er-Jahre-Lampen prangte, gähnen auf dem postumen Pendant weiße Wände und lackierte Dielen in die Kamera. Kein goldenes Seepferdchen mehr, das den Kopfteil des Bettes verziert, keine Spüliflasche, keine Teppiche, kein PVC auf dem Küchenboden. Schon allein die Fotos zu Lebzeiten tragen eine starke Intimität in sich. So als sei man aus Versehen in die Wohnung eines anderen getappt und stehe nun vor dessen so dahingehängtem Bademantel. Am Ende nimmt genau diese Nähe eine Lebensweise erst ernst. Die „leeren“ Fotos tun das auf ihre eigene, eigentümliche Weise, sie scheinen der Überschreibung nach dem Tod noch einmal Widerstand leisten zu wollen (bis 10. 1., Mo.–Do., 10–18 Uhr, Alt-Mariendorf 43).

Die kommende Samstags-Ausstellung im Kreuzberg Pavillon trägt den unwägbaren Titel „Ein Beispiel für einen Versuch, sich möglicherweise mit etwas abzufinden“ (19. 12., 20 Uhr, Naunynstr. 53). Übertragen auf das Gedenken, schwingt in diesem zögernden Satz vielleicht die Angst mit, dass das Abfinden dem Vergessen oder der Kapitulation gleichkommt. Doch das muss es nicht.