Altkonservative fühlen sich kulturbedroht. Vor allem durch Flüchtlinge. Warum bloß?
: Die Verzweiflung alter Konservativer

Foto: privat

Neue Heimat

von Jan Feddersen

Wolfgang Bosbach genießt in gewissen Kreisen den Ruf eines Dauertalkers. Man spöttelt: Stell ihm ein Mikro hin – und er wird garantiert zur inneren Sicherheit etwas sagen. Immer ist irgendwas bedroht . . .

Nun wurde er wieder gefragt, während des CDU-Parteitags in Karlsruhe. Er war dort in der krassen Minderheit und drang, wie so andere Meckerer in seiner Partei, mit seinen Anliegen nicht durch. Bosbach, ein frohsinniger Rheinländer, sagte nun im Deutschlandfunk zur Flüchtlingsfrage und zur Haltung seiner Partei ihr gegenüber: „Ich mache mir Sorgen, dass es eine Folgenabschätzung in dem Sinne, wie es sie geben müsste, überhaupt nicht gibt. Was bedeutet das eigentlich für Deutschland, wenn Jahr für Jahr Hunderttausende Menschen kommen, die allermeisten davon aus anderen Kulturkreisen? Wie wird sich unser Land verändern?“

Das genau ist sein Thema: Ihn bewegt nicht, wie eine ziemlich geölte, wenngleich neulich noch angerostete Verwaltungsmaschine namens Deutschland zum schnurrenden Funktionieren gebracht werden kann, sondern dass seine „Kulturkreise“ bedroht sind. Natürlich könnte man jetzt so tun, als wüsste man nicht, was er, dieser im persönlichen Umgang sehr sympathische Konservative, damit meint: Weihnachten als zentrale Familienfeier? Die Bundesliga? Die gewohnte Folge von Feiertagen vom 1. Januar bis zum Zweiten Weihnachtstag? Was soll jenes Kulturkreishafte sein, das Bosbach angegriffen sieht? Was ist ihm die alte Heimat, die nun eine neue zu werden droht?

Leider antwortet ihm niemand aus der eigenen Partei. Jene, die die Kanzlerin stützen, besinnen sich jetzt lieber auf Merkelerhalt, auf die Macht, auf das, was diese CDU am besten kann: Regierungsdirigat. Einige aber könnten dem absoluten Minoritärling Bosbach antworten: Dieses Land wird sich so ändern, wie es sich immer geändert hat, zwischen 1933 und 1945 sogar ins Horrorhafte. Einwanderer kommen ja schon seit Längerem, weil sie dieses Deutschland lebenswert finden. Das führte zu neuen Festen, Halloween zum Beispiel, absolut religionsübergreifend und kindergerecht. Oder zu neuen Speisen, Döner oder Falafel, Burger, Chicken Korma oder Pizza – alles undeutsche, alles aus anderen sogenannten Kulturkreisen.

Aber so sagt es ja in der CDU den Ultra- und Gemüts­reaktionären keiner: Dass sich die deutsche Welt nach 1945 schon krass geändert hat, was jeder weiß, der mindestens noch die sechziger Jahre erinnert. Und dass sie sich weiter verändern wird, immer und immer wieder.

Einer wie Wolfgang Bosbach allerdings wird alleingelassen, er, der doch ein Unionsmann der treuesten Sorte war und ja bleibt, muss aushalten, das früher Identitätshafte der CDU zu verkörpern und doch nur Minderheit zu bleiben.

Bosbach hat insofern einen Tapferkeitspreis verdient, einen, den man noch erfinden muss: Er ist wirklich ein inhaltlich und nicht nur machtpolitisch orientierter Politiker. Die Auszeichnung wäre ein Anti-Mainstream-Medaille und könnte heißen: „Hier stehe ich und kann nicht anders.“

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