Rendezvous mit dem goldenen Nazivampir

B-MOVIES Beim „Festival des gescheiterten Films“ im Babylon Mitte sind Werke zu sehen, für die sich kein Verleih und keine Akademie erwärmen konnten. Unter den Beiträgen sind abendfüllende Trash-Perlen, skurrile Materialschlachten und kleine, feine Gemälde

Der Hintergrund der Handlung bleibt unklar, aber die Dialoge sind großartig

Kein Mensch, der noch halbwegs bei Verstand ist, sollte heutzutage das Risiko eingehen, einen Film zu produzieren. Filmemachen ist sauteuer, macht einen Haufen Arbeit und ist am Ende auch noch frustrierend, wenn der Film nicht ins Kino kommt. Immerhin: Dafür gibt es das „Festival des gescheiterten Films“ – es zeigt Filme, die es nicht in den Verleih geschafft haben, sonst irgendwie gescheitert sind oder sich einfach inhaltlich mit dem Scheitern auseinandersetzen.

In dem Kurzfilm „Der Anner und sei Mudder“ erzählt der Filmemacher Philipp Hartmann im breiten Dialekt seiner Heimat Karlsruhe, wie er mit dem Rauchen aufgehört hat. Bei der Recherche für seinen ersten autobiografischen Dialekt-Film „Der Anner“ war ihm nämlich aufgefallen, dass auf den alten Familienfotos ständig geraucht wird. Die „Flüpperle“, schloss Hartmann, waren ein verbindendes Element der Familie.

„Die humorvolle Auseinandersetzung half mir, über die schwierigen ersten Monate ohne „Flüpperle“ hinwegzukommen“, gesteht Hartmann, „und dann war der Film fertig …“ Er pustet Zigarettenrauch aus und lacht. In Hamburg, wo Hartmann lebt und Film studiert hat, sei es ihm schon passiert, dass ihn fremde Leute in der Kneipe angesprochen haben: „Ey Anner, du rauchst wieder?!“

Seit Dezember 2012 wird deutschlandweit in 17 Städten ein „Best of & Co.“ des gescheiterten Films gezeigt. Zu sehen sind abendfüllende Trash-Perlen wie „Das Bonobo-Prinzip“ von Michael Sittner und Silvia Lindner, ein Endzeit-Erotik-Drama mit überraschender Wendung, aber auch kleine, feine Gemälde wie der Kurzfilm „Bilder von der Verteidigung eines Hofes“ von Bernd Kilian nach einer Erzählung vom Meister des Scheiterns Franz Kafka.

Wer sich häufiger auf Filmfestivals herumtreibt, merkt schnell, dass hier keine schlechteren Filme gezeigt werden als anderswo. „Der goldene Nazivampir von Absam 2“ ist eine 45-minütige Materialschlacht von Lasse Nolte von der Filmhochschule München. Hakenkreuze, Uniformen, Vampire, Kreuzritter, Special-Effects. Vom Requisiteur bis zum Maskenbildner haben alle ihr Bestes gegeben, herausgekommen ist bunter Klamauk. Und eigentlich ist man am Ende nur ein bisschen enttäuscht, dass keine Zombies vorkamen.

Ein kleines Glanzstück des Festivals, das am heutigen Donnerstag endet, war die schwarze Komödie „Freie Radikale“ von Steffen Heidenreich. Zwei Polizisten auf Streife nachts im Wald machen Pause. Derweil versuchen zwei Geschwister, „es“ im Wald zu vergraben. Dann treffen die vier aufeinander. Der Hintergrund der Handlung bleibt unklar, aber die Dialoge sind großartig.

Jolanka Höhn ist Studentin an der Filmhochschule dffb in Berlin. Sie hat ihren ersten dffb-Bewerbungsfilm beim Gescheiterten-Festival eingereicht, denn im ersten Anlauf wurde ihre Bewerbung an der Hochschule abgelehnt. „Ungebrochen“ ist ein liebevolles Porträt ihres Vaters, der in der DDR als Ökonom für Valuta-Preise gearbeitet hat. Wie bitte? „Import/Export“, erklärt der Protagonist, der an diesem Abend auch anwesend ist. Er hat in einer Firma gearbeitet, die Maschinenteile in die Ostblockstaaten exportierte. In der DDR war der Außenhandel staatlich organisiert. In „Ungebrochen“ erzählt der Vater von seiner Arbeitslosigkeit nach der Wende – und dass er jetzt glücklich ist als 1-Euro-Kraft in einer Kinderbibliothek. Schöner Scheitern, sozusagen.

LEA STREISAND

www.babylonberlin.de/gescheitert13.htm