STOIBERS GROSSMANNSSUCHT GEHT AUF KOSTEN DER ZUKUNFTSFÄHIGKEIT
: Abschied von der Bildung

Aus dem Berliner Regierungsviertel dringt Waffengeklirr: Die künftigen MinisterInnen für Wirtschaft und Wissenschaft streiten um Zuständigkeiten. Drei komplette Abteilungen Forschung und Technologie, darunter die prestigeträchtige Raumfahrt, beansprucht Mister Superwirtschaft, Edmund Stoiber. Annette Schavan, die Trumpfkarte der Regierung, hat ihr Wissenshaus noch nicht aufgegeben. Das sind die Gerüchte. Garniert werden sie mit verwaltungswissenschaftlichen Rätselhaftigkeiten – wirren Organigrammen, verstreuten Referaten und definitiven Organisationserlassen.

Das alles klingt wie die kleine Münze der Administration. In Wahrheit droht eine der großen Weichenstellungen der Republik verpasst zu werden: Der Bund wendet sich nämlich dem Megathema Bildung (Roman Herzog) nicht etwa zu, er verabschiedet sich davon. Tritt das Befürchtete ein, bedeutet das: Für die Wissensvermittlung und -produktion von den Kitas über Schulen und Unis bis in die Forschungsinstitute wären künftig de facto allein die Länder zuständig. Der Bund wäre raus.

Ist das ein Problem? Ja, und zwar kein kleines. Denn die deutschen Wissensinstitutionen gelten, freundlich gesagt, nicht als Kreativhäuser, sondern als Krisenanstalten. Das führt dazu, dass dem Land mit vergleichsweise rasanter Geschwindigkeit der qualifizierte Nachwuchs ausgeht. Egal ob Schulforscher, Unternehmerverbände oder besorgte Eltern, sie alle wissen: Wer sich um die Renten Sorgen macht, sollte weniger über die aktuelle Rentenhöhe nachdenken als über die Zahl derer, die sie morgen erwirtschaften müssen – die Lernenden von heute also.

Natürlich ist auch den künftigen Koalitionspartnern von SPD und CDU dieser Zusammenhang klar. Beinahe täglich schicken sie Mitteilungen heraus, die Innovation als Politikschwerpunkt verkünden. Nur laufen die konkreten Beratungen ganz anders. Die Koalition ist gerade dabei, einen schweren strategischen Fehler zu begehen. Sie zerschlägt und entmachtet den Motor für ihr vermeintliches Megathema, das Ministerium für Bildung und Wissenschaft. CHRISTIAN FÜLLER