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Berliner SzenenRingelpietz mit Anfassen

Nur für Erwachsene

„Es ist mir peinlich, dauernd Kinder wegzuschicken"

Der Markt der Kontinente im Ethnologischen Museum dient als Vorwand, um die Kinder am Wochenende nach Dahlem zu schleppen. Dort sollen sie noch einmal die Halle mit den Südsee-Booten sehen, die zu meinen prägnantesten Kindheitserinnerungen gehören, bevor diese für immer geschlossen wird.

Der Markt der Kontinente erweist sich als der multikulturelle Ringelpietz mit Anfassen, den der Berliner so liebt. Es erinnert ein bisschen an den Karneval der Kulturen, aber für ein gereifteres Publikum, das sich gern von exotischen Kulturen verzaubern lässt, um am Abend mit einer Flasche Olivenöl aus Lesbos, marokkanischem Pfefferminztee und einem Schal aus den Anden nach Hause zu gehen. Eine Sambaband spielt, ältere Damen in Winterpullovern tanzen. Dazwischen verlieren sich einige Familien mit Kindern.

Wenn man einen weiteren Beweis braucht, dass Deutschland ein vergreisendes Land ist, muss man zu den Bastelständen weitergehen. Denn die sind diesmal „nur für Erwachsene“. Den Grund erfahre ich bei der Gestaltung einer Weihnachtskarte, zu der ich meine Töchter einschmuggele. Bei den Workshops für Kinder hätten sich in der Vergangenheit Erwachsene beschwert, dass sie nicht mitmachen durften. Da keine Erwachsenen da sind, die basteln wollen, dürfen meine Töchter ein T-Shirt bedrucken.

Als ich dem Afrikaner, der die Siebdrucke macht, beim Abwaschen seiner Schablonen auf der Herrentoilette helfe, klagt er mir sein Leid: „Es ist mir ja auch peinlich, dauernd Kinder wegzuschicken. Aber ich muss doch machen, was mein Arbeitgeber verlangt.“

Wenn das so weitergeht, werden die deutschen Rentner demnächst dafür sorgen, dass Spielplätze für ihre Feldenkrais-Gymnastik geräumt werden. Tilman Baumgärtel

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