LESERINNENBRIEFE
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Abwehrschirme überall

■ betr.: „Hier wird der nächste Krieg vorbereitet“, taz vom 7. 1. 13

Das Rostocker Friedensbündnis protestiert sehr zu Recht gegen die Stationierung von Patriot-Raketen in der Türkei. Deren Stationierung hat durchaus einen Sinn. So wenn die Nato über Syrien eine Flugverbotszone einrichten wollte.

Doch für eine Flugverbotszone – wir erinnern uns voller Trauer an etwa 50.000 Tote als Folge einer Flugverbotszone in Libyen – müssten die Vereinten Nationen ihre Zustimmung geben. Was noch nicht ist, kann vielleicht über einen Giftgaszwischenfall arrangiert werden. Es könnte auch von irgendwoher eine Rakete in die Türkei gefeuert werden. Dann träte der Verteidigungsfall der Nato ein und ein Nato-Krieg gegen Syrien könnte schnell beginnen. Dabei wären die Patriots und die Awacs-Aufklärer militärisch durchaus sehr nützlich. Würden diese selbst von Syrien her angegriffen, dann wäre die Nato und damit Deutschland mitten in der „humanitären Intervention“.

Spätestens im Nato-Verteidigungsfall könnte die Türkei versucht sein, eine Sicherheitszone im syrischen Grenzland einzurichten – angeblich zum Schutz der syrischen Kriegsflüchtlinge. Zufälligerweise würde diese Sicherheitszone die Siedlungsgebiete der kurdischen Syrer einschließen. Diese sind gerade damit beschäftigt, dort eine autonome kurdische Zone unter Anleitung des syrischen PKK-Ablegers PYD zu gründen. Der Türkei, die sich bislang auf keine friedliche, politische Lösung mit den türkischen Kurden verständigen konnte, sondern gegenwärtig eine höchst repressive Politik ihnen gegenüber betreibt, ist diese Entwicklung natürlich ein Dorn im Auge. Wäre nicht eine solche Sicherheitszone eine ausgezeichnete Möglichkeit, dem „kurdischen Spuk“ die Grundlage zu entziehen?

Seit Ronald Reagans Strategic Defense Initiative (SDI) in den 80er Jahren ist das Thema Verteidigung gegen Raketen aller Art nicht zur Ruhe gekommen. Russland befürchtete wohl zu Recht, diese Systeme könnten das globale „Gleichgewicht der Abschreckung“ vom Westen her aushebeln. Der Westen hat trotzdem diese Technologie konsequent vorangetrieben. In letzter Zeit wurde ein europäischer Abwehrschirm mit dem wenig glaubhaften Argument legitimiert, man müsse sich gegen Raketen aus dem Iran schützen.

Für die Stationierung solcher Abwehrsysteme war stets auch die Türkei im Gespräch. Es liegt daher nahe, die jetzige Stationierung der Patriots und der Awacs an der türkisch-syrischen Grenze mit der Errichtung des gesamten Abwehrschirms in Verbindung zu bringen. ANDREAS BURO, Grävenwiesbach

Zerfallender Kongo

■ betr.: „UNO behindert Friedensprozess“, taz vom 3. 1. 13

Es wird einsam um Paul Kagame, den Militärherrscher Ruandas. Nach den USA haben auch England, Deutschland, Holland, Schweden und andere EU-Staaten die Hilfe für Ruanda gestoppt, das lange ein Lieblingskind westlicher Entwicklungshilfe war. Den Grund des Kurswechsels hat Doretta Loschelder, Berlins Ex-Botschafterin in Kinshasa, so benannt: „Wieso finanziert die internationale Gemeinschaft, Deutschland eingeschlossen, einen Großteil des ruandischen Staatshaushalts, wenn Ruanda immer wieder den Konflikt im Osten Kongos anheizt und damit jede Entwicklung torpediert?“

All dies hat sich mittlerweile herumgesprochen, nur taz-Redakteur Dominic Johnson hält an seiner Unterstützung des ruandischen Regimes fest, das die Erinnerung an den Genozid von 1994 missbraucht, um die Staatengemeinschaft zu erpressen, während es das Nachbarland Kongo militärisch destabilisiert und dessen Ressourcen, allen voran Coltan, auf eigene Rechnung exportiert.

Johnson hat den Vormarsch von Ruanda gesteuerter M23-Rebellen auf Goma begrüßt und ihren durch internationale Proteste erzwungenen Rückzug dann kleinlaut kommentiert: „Jetzt überlegen wir uns erstmal in aller Ruhe, am wunderschönen Strand des Victoria-Sees, wie irgendwann mal richtige Gespräche stattfinden könnten. […] So richtig ernst scheint die Gespräche also niemand zu nehmen bisher, außer als Gelegenheit, sich mal in Kampala und Entebbe auszuruhen.“ (blogs.taz.de, 6. 12. 12)

Dabei weiß Johnson genau, dass der Kongo ein zerfallender Staat ist, der sein eigenes Territorium nicht kontrollieren kann. Doch statt Opfer und Täter beim Namen zu nennen, rechtfertigt er die Balkanisierung des Landes und spricht von der „klassischen Mottenkiste kongolesischen Verschwörungsgeraunes“ (blogs.taz de, 15. 12.) Dass dies kein flapsiger Versprecher war, zeigt sein Jahresrückblick vom 29. 12., in dem er schreibt: „Aus 48 Stunden wurden zwar 7 Tage, aber die M23 zog sich aus Goma zurück und die Friedensgespräche fanden statt. Kleiner Schönheitsfehler: Es ist nichts dabei herausgekommen, und die M23 fühlt sich, vorsichtig ausgedrückt, hinters Licht geführt.“ CHRISTOPH LUDSZUWEIT, Berlin

Nur ein paar blaue Flecken

■ betr.: „Die Stille nach dem Glamour“, „Kotzen vor Wut“, taz vom 3. und 2. 1. 13

„Man kann sich in einer Ehe Schlimmeres antun, als sich zu schlagen“. Soweit ich den Artikel verstehe, hat ER sie geschlagen, und nicht das Paar sich geprügelt. Mit einer solchen Aussage verharmlost Herr Waibel die alltäglich stattfindende Gewalt von Männern gegen Frauen in Partnerschaften. Und wieso darf man „froh sein“, dass Sylvie mit einigen blauen Flecken davongekommen ist? Ich finde es furchtbar, wenn seine Gewalt sogar blaue Flecken zur Folge hat. Ich bin entsetzt. Dabei schrieb gerade gestern Frau Stokowski so bewegend über das Unfassbare: Dass (sexuelle) Gewalt gegen Frauen als so selbstverständlich wahrgenommen und stillschweigend geduldet wird. Vielleicht sollte Herr Waibel diesen Artikel nachlesen und achtsamer schreiben. MASCHA KIRCHNER, Oldenburg