Schavan bekommt Schifffahrtsmuseum

Das Bildungs- und Wissenschaftsministerium des Bundes wird von Edmund Stoiber zerpflückt. Der Bayer holt sich teure und wichtige Zuständigkeiten auch beim Finanzministerium. Schavan soll sieben Forschungsmuseen als Ausgleich erhalten

AUS BERLIN CHRISTIAN FÜLLER
UND HANNES KOCH

Als Ministerin wird sie gar nicht mehr recht gehandelt. Die lange als feste Größe geltende Annette Schavan (CDU) musste sich gestern bei einem prominent besetzten Bildungskongress in Berlin als „mutmaßliche Bildungsministerin“ von Moderatorin Anne Will begrüßen lassen. Das liegt nicht nur daran, dass die Bundesregierung erst in fernen drei Wochen gebildet sein wird. Das Ministerium für Bildung und Wissenschaft wird offenbar kleiner gemacht, zerschnitten und mit neuen Zuständigkeiten notdürftig zusammengeflickt.

„Edmund Stoiber hat sich zu 100 Prozent durchgesetzt“, lautete die Botschaft aus Wissenschaftskreisen. Der Vorsitzende des Wissenschaftsrates Karl Max Einhäupl sagte wörtlich: „Ich befürchte, der Zug ist abgefahren.“ Der Neurologe meint damit die Verlegung wichtiger Zuständigkeiten aus dem Wissenschaftsministerium Schavans zu Edmund Stoiber (CSU). Entsprechende Abmachungen waren in den Vorgesprächen zur zwischen SPD-Chef Franz Müntefering, dem scheidenden Kanzler Gerhard Schröder sowie den Unions-Chefs Angela Merkel und Stoiber getroffen worden. Sie gelten daher als schwer umstößlich.

Schavan bestritt, dass eine Entscheidung bereits gefallen sei. Mit Nein beantwortete sie die Frage, ob sie einen Verzicht auf das amputierte Ministerium erwäge. Allerdings: Die mehrfach angekündigte Einigung zwischen Schavan und Stoiber war bis Redaktionsschluss noch immer nicht verkündet. Für diverse Wissenschaftsorganisationen galt die Sache gestern morgen bereits als gelaufen. Der Präsident der Leibniz-Gemeinschaft, Hans-Olaf Henkel, hatte bei Generalsekretär Volker Kauder (CDU) einen Kompromiss angeboten. Stoiber solle lediglich die Unterabteilung Raumfahrt bekommen, wie in den EU-Ländern üblich. „Dann können beide Seiten ihr Gesicht wahren.“ Kauder habe das als gute Idee bezeichnet, die aber leider zu spät komme. Das bedeutet, dass Stoiber über die Raumfahrt hinaus auch weite Teile der Bereiche Information, Kommunikation und Neue Technologien aus dem Forschungsressort abziehen würde. Finanziell soll Schavan ein Viertel ihres 8-Milliarden-Budgets verlieren.

Auch von einem Ausgleich für Schavan war zu erfahren. Sie solle von der bisherigen Kulturstaatsministerin Christina Weiss 7 so genannte Forschungsmuseen erhalten, dazu gehören unter anderen das Deutsche Schiffahrtsmuseum in Bremerhaven und das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz.

Der große Gewinner wäre Edmund Stoiber, der sich auch aus dem Finanzministerium bedienen will. Dort interessieren ihn 11 Referate, die sich mit der Koordinierung der europäischen Politik beschäftigen. Darunter befindet sich die europäische Strukturpolitik, wo milliardenteure Förderprogramme der EU beeinflusst werden. Weil das „ein Drittel des EU-Haushalts“ betreffe, werde der künftige Minister Peer Steinbrück (SPD) aber nicht einwilligen, heißt es aus dem Finanzministerium. Für Stoiber sei es wichtig, Einfluss auf die Industrie- und Ordnungspolitik im europäischen Rahmen zu gewinnen. Im Grundsatz hatten auch diese Vereinbarung die Koalitionsspitzen getroffen.

Stoiber will eine andere Philosophie verfolgen als das gegenwärtige SPD-geführte „Superministerium“ aus Wirtschaft und Arbeit. Zurzeit versucht man den Hebel noch bei der Beschäftigung anzusetzen: die Arbeitsvermittlung modernisieren, Fördergelder als Anreize für Arbeitslose ausschütten, Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammenlegen. Das ist eine Mischung aus Sozialarbeit, Klientelpflege und modernem Verwaltungsmanagement. Stoiber dagegen richtet den starken Staat anders aus. Er will Wissenschaft und Wirtschaft mit Geld versorgen, auf dass viele neue, konkurrenzfähige Produkte entwickelt werden, die dann auch Jobs bringen. In Bayern hat das funktioniert – aber es dauerte Jahrzehnte.

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