„Aus dem Mustopf befreien“

Denis Scheck über das Glück des Übersetzens

■ ist literarischer Übersetzer, Literaturkritiker und Kulturjournalist. Er moderiert das Büchermagazin „druckfrisch“ Foto: ARD

taz: Herr Scheck, was ist das Glück des Übersetzens?

Denis Scheck: Für den Leser besteht das Glück darin, dass uns die Übersetzung aus dem Mustopf der Nationalliteratur befreit. Das Glück des Übersetzers liegt im Altruismus, einem anderen seine Stimme zu leihen. Dagegen ist das Schreiben ein narzisstischer Akt.

Warum brauchen wir literarische Übersetzungen, um uns selbst zu verstehen?

Weil man sich ja nur durch den Blick des Fremden wahrnimmt. Man muss sich in der Literatur mit den Augen eines Fremden sehen. Darum geht es beim Lesen überhaupt.

Gibt es ein allgemeines Kriterium des Übersetzens?

Ja, man sollte an einer Stelle lachen, an der auch der Leser des Originals lacht. Karl Kraus hat einmal gesagt, dass Übersetzen eigentlich Über-setzen heißt. Das ist es, was der Begriff Wirkungsäquivalenz meint.

Wie nah kann eine Übersetzung an das Originalwerk heranreichen?

Kongruent werden die nie, aber im Idealfall ist die Übersetzung so gut wie das Original oder sogar noch besser. Ich glaube fest an die Übersetzbarkeit der Welt.

Welche Beispiele aus der europäischen Literatur stehen für Sie für die Kunst des Übersetzens?

Etwa Joanne K. Rowlings „Harry Potter“, Richard Fords Werke und Tolkiens „Herr der Ringe“. INTERVIEW: LENA KAISER

19.30 Uhr im Kirchhof-Saal der Patriotischen Gesellschaft, Trostbrücke 6, Anmeldung erwünscht: ☎ 040- 41 91 91 04